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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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zu kennen. Ich soll angeben, wo ich mich zugehörig fühle: arm, reich oder Mittelstand. Erkläre, dass sich laut einer Untersuchung Menschen unter dem Existenzminimum nicht als arm und Millionäre nicht als reich, sondern alle als Mittelstand betrachten. Ihm gefällt meine Erklärung nicht.
    »Hören Sie, dafür hätten Sie mich nicht verhaften bauchen, da hätte ein simpler Fragebogen gereicht!«, schreie ich, weil dieser anhaltende Irrsinn mich zur Weißglut bringt.
    »Sie wissen schon, warum Sie hier sind«, behauptet der Staatsanwalt. Leider stimmt das nicht, beziehungsweise kann ich die Vorwürfe, die gegen mich erhoben werden, nicht glauben: Mitglied einer kriminellen Vereinigung (meinen die Tonis Shantis?), versuchte Körperverletzung, schwere Nötigung, Freiheitsentziehung und gefährliche Drohung.
    Bin sicher Opfer eines Irrtums → obwohl sich dieser Irrtum sehr lange hält.
    Kein Kontakt zu Toni.
    1.8.
    Bin bereits bei den ersten Fragen zu Osram, der Entführung und dem Hackerangriff stutzig geworden. Wenn sie so viel darüber wissen, warum fragen sie dann noch? Wie kommen die überhaupt auf mich? Und vor allem, warum halten sie mich fest? Es ist doch offensichtlich, dass ich nichts mit den Anschlägen zu tun haben kann → habe ich mir gedacht. Aber heute spricht mich der Staatsanwalt auf meine Aufzeichnungen an. Nach meiner Verhaftung wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt und mein Journal sichergestellt. Fast so, wie Berta es vorausgesagt hat.
    »Da steht doch ganz eindeutig drin, dass ich mit diesen Aktionen nichts zu tun habe. Halten Sie mich hier zum Spaß fest, oder was?«, schreie ich (schon wieder). »Wer soll denn diese Berta sein, von der Sie so viel schreiben?«, fragt mich der Staatsanwalt ruhig. Schildere ihm der Reihe nach unser Kennenlernen, unsere Diskussionen, Bertas Ansichten und das, was sie mir über ihre Aktionen verraten hat. Dabei fällt mir auf, dass Berta nicht sehr detailreich erzählt hat. Weiß allerdings nicht, ob mir Detailreichtum helfen oder schaden würde, denn die ermittelnden Kriminalbeamten (erfahre so nebenbei, dass ein ganzes Sonderkommando zusammengestellt wurde) sind auf eine absurde Idee verfallen: Mein Journal (von mir als Strukturierungshilfe meiner gleichförmigen Tage geführt) wird als abstrakte Erzählung gelesen. Ich hätte ihrer Logik nach meine eigenen Taten abstrahiert und einer fiktiven Figur namens Berta auf den Leib geschrieben. Dialoge mit Berta, die ich auszugsweise notiert habe, halten sie für verschriftlichte Geständnisse. Alles ganz große Textexegeten hier! Sie sind sich nur noch nicht einig, ob ich eine Einzeltäterin oder Teil eines Netzwerks bin. Unfassbar. Vielleicht bin ich sogar die Drahtzieherin (wie das hier heißt, »Mastermind«) einer anarchistischen Terrorzelle!
    Erfahre, dass auf dem Fest unter anderen auch Toni, Marianne und Erich, sogar eine Alte von Toni verhaftet worden sind. Tonis Sommerfest (unangemeldet!) wurde oder wird von den Ermittlern als konspiratives Zusammentreffen einer kriminellen Vereinigung angesehen. Sie sollen Anschläge auf Institutionen und internationale Konzerne verüben, um massiven Einfluss auf das Wirtschaftssystem zu nehmen und es letztendlich zu stürzen. Verrückt! Deshalb hat die WEGA das Fest aus Gründen der Staatssicherheit stürmen müssen! Angeblich wurden mittlerweile alle wieder freigelassen. Nur ich bin als Hardcore-Terroristin im Rasterfahndungsnetz hängen geblieben. → Wahrscheinlich liest auch jemand mein Gefängnisjournal: Hallo! Achtung! Das Staatsgefährdende steht zwischen den Zeilen!
    Drehe bei der Einvernahme ein wenig durch: »Warum gehen Sie nicht zu Berta? Gehen Sie einfach in ihre Wohnung, die Tür ist unversperrt. Fragen Sie
sie
nach ihren Aktionen!«, fordere ich den Staatsanwalt mit gereizter Stimme auf. Aber der stützt sich mit beiden Händen auf die Tischplatte, beugt sich zu mir und schaut mich unverwandt an. Anscheinend hat er es satt, dass ich nicht schon längst ein Geständnis ablege. »Hören Sie, Frau Cerny, wir waren in der von Ihnen beschriebenen Wohnung. Sie war leer. Wer auch immer sich in dieser Wohnung aufgehalten haben mag, ist nicht mehr dort anzutreffen. Die Ermittler haben sich bei den Vermietern erkundigt. Die Wohnung steht seit Dezember letzten Jahres leer.« – »Aber das kann doch nicht sein«, schreie ich panisch. Mir fällt plötzlich Toni ein. »Meine Freundin, Antonia Strabeck, hat Berta einmal bei mir in der Küche gesehen. Fragen Sie Toni,

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