Die wilde Gärtnerin - Roman
sie wird Ihnen Berta beschreiben können.« Gelangweilt meint er: »Haben wir schon gemacht.«
5. 8.
Man fragt mich immer und immer wieder die gleichen Dinge → antworte immer gleich → man glaubt mir nicht.
»Tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Alles, was ich weiß, habe ich von Berta«, wiederhole ich zum zigsten Mal. »Es gibt sie, und die Wohnung gegenüber hat sie wahrscheinlich illegal besetzt, anders kann ich mir das nicht erklären.« Aber außer mir glaubt hier niemand an die Existenz einer Person mit dem unvollständigen Namen Berta. Was ich, trotz des haarsträubenden Wahnsinns um mich herum, langsam verstehe → Bertas Identität verliert sich einfach im Nichts. Sie muss das clever und raffiniert angegangen sein. Was ich nicht verstehe: Warum ist der Verfassungsschutz auf
mich
aufmerksam geworden und nicht auf
sie
? Wie kann es sein, dass von ihr keine Spuren auffindbar sind, aber von mir angeblich schon?
6.8.
Glaube immer, es kann nicht grotesker werden und dann kommt noch was nach. Die haben mich observiert! Unfassbar. Mich! Die nie ihr Haus verlässt (außer sie geht ins Gefängnis). Werde heute bei der Haftprüfungsverhandlung von der Richterin über dieses lustige Detail informiert. Kriege mich vor Lachen nicht mehr ein. »Vierundzwanzig-Stunden-Überwachung?«, schreie ich beinahe hysterisch auf. »Wo war die Kamera – in meiner Wohnung? Im Humusklo oder hinter den Ribiselstauden?«
Halte das für reine Einschüchterungstaktik, weil man hier nach wie vor der Meinung ist, ich verberge mein gigantisches, kriminelles Wissen, das womöglich durch das Zauberwort »Observation« endlich freigegeben wird. Allerdings beängstigt mich die Vorstellung, rund um die Uhr beobachtet worden zu sein, tatsächlich → Was haben die von mir gesehen? Was wissen sie über mich? Was glauben die über mich zu wissen? Wenn deren Phantasie schon durch mein Journal derartig angeregt wird, müssen die bei bewegten Bildern doch völlig durchdrehen. Aber der Staatsanwalt versteht es, mich erneut zu schocken: »Keine Kamera, Frau Cerny, wir haben einen verdeckten Ermittler auf Sie angesetzt.«
»Was Sie nicht sagen?«, spiele ich die Schmierenkomödie mit. »War es der auffällige Regenwurm oder die hartnäckige Nacktschnecke, wenn ich fragen darf? – Oh nein, sagen Sie nichts, ich weiß, wo sich Ihr Fahnder versteckt hat. Im Bienenstock der Imkerin!«
Der Staatsanwalt bleibt ernst. »Frau Cerny, Ihre Person wurde sechs Monate observiert, wobei Unauffälligkeit Grundvoraussetzung ist.«
Welche Taktik auch immer hinter dieser Offenbarung steckt, sie funktioniert → ich bin beunruhigt. »Und da bemerken Sie nicht, dass ich niemals mein Haus verlasse und Bertas Besuche wollen Sie auch nicht registriert haben? Was läuft denn hier ab?«
»Sie behaupten, nie das Haus verlassen zu haben? Ich habe genaue Aufzeichnungen vom 10. Juli, laut denen Sie auf der Mariahilfer Straße in einer Boutique gesehen wurden, später Kontakt mit einem Aktivisten aufnahmen und mit dem Taxi nachhause fuhren. Wollen Sie das bestreiten, Frau Cerny?«
»Mit welchem Aktivisten? Ich bin das erste Mal nach über zwei Jahren …«, die Unerbittlichkeit des Staatsanwalts lässt meine Verteidigung stocken.
»Darf ich Sie an den 28. Dezember erinnern? An diesem Tag haben Sie sich von 18 bis 21.30 Uhr im Restaurant
Il Mare
aufgehalten. Kommt in Ihrem Journal vor, selbst Ihre Entlastungszeugin, Frau Antonia Strabeck, bestätigt das.« Kann dieser Absurdität nichts entgegnen. »Sie werden einsehen, Frau Cerny, dass ich Ihnen weitere Ermittlungsergebnisse nicht anvertrauen kann, aber glauben Sie mir, die Beweislast ist erdrückend.«
Wenn diese Verdrehung von Begebenheiten so weitergeht, sehen die mich wirklich noch im Chauffeurslivree quer durch Deutschland fahren, mit einem gefesselten Vorstandsvorsitzenden auf der Rückbank einer Limousine. Die Richterin jedenfalls gestattet, meine Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr fortzusetzen.
10.8.
Erfahre, dass auch mein Computer überwacht wurde. Ein Trojaner hat einen Überwachungsvirus installiert, der meine Daten und Bewegungen im Internet an Beamte des Verfassungsschutzes weitergeleitet hat. Könnte in Anbetracht der verschwendeten Steuergelder in Gelächter ausbrechen → habe aber nichts zu lachen, denn mein Täterinnenprofil stellt sich folgendermaßen dar:
1.) gehe keiner geregelten Arbeit nach (hochverdächtig)
2.) verfüge über wenig bis keine sozialen Kontakte (extrem
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