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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Na, zum Beispiel, ob ich wisse, dass vier, fünf Beleuchtungskonzerne mittels massivem Lobbying das europaweite Glühbirnenverbot durchgesetzt haben. Die haben sich zusammengetan, Preise abgesprochen, Politiker und Gesetze beeinflusst. Oder ob ich wisse, wie viel Geld die Atomindustrie verdient. Oder dass Europa der zweitgrößte Waffenproduzent der Welt sei. Solche Sachen. Zunächst hab ich mich gewundert, dass sie so was beschäftigt. Vielleicht hat sie das im Radio gehört oder online gelesen, hab ich mir gedacht. Aber als sie immer öfter damit angefangen hat und immer komplexere Gedanken geäußert hat, ist mir Berta wieder eingefallen. Das kommt von ihr, hab ich vermutet. Helen hat noch nie Interesse für wirtschaftliche Angelegenheiten gezeigt. Das
muss
von Berta kommen. Die setzt ihr so was ins Ohr. Mit ihr wird sie diese Dinge besprechen, hab ich gedacht.

+++ Budget-Defizit in Österreich nur 2,6 Prozent des BIP +++ 44 Prozent der weltweiten Waffenimporte in Asien und Ozeanien +++ Ab 1. April verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung in Österreich +++ Arbeitslosigkeit in EU steigt um 10 Prozent +++

    10.3.
    Winke Berta in der Früh zu. Sie trinkt Kaffee und grüßt zurück. Frisch und freudig, aber ohne Grinsen. Sie muss im Laufe des Vormittags die Wohnung verlassen haben, denn als ich mittags rüberschaue, ist sie nicht mehr da.
    Esse mit Toni Erdäpfelpüree und glasierte Pastinaken. Die waren zwar auch in Sand eingeschlagen, schmecken aber definitiv nach vorigem Jahr. Toni fragt, ob ich zur Abwechslung einmal bei ihr essen möchte. → Muss nicht sein. Sie meint, es sei leichter für sie.
    »Es ist gut, wenn du mal aus deiner Praxis rauskommst«, mache ich eine witzige Anspielung auf ihre ständigen Versuche, mich aus meiner Wohnung zu locken. Toni verzieht das Gesicht. Bevor sie wieder mit »Ich weiß nicht mehr, was ich mit dir machen soll« anfängt, lenke ich ein. »Ich komm gern zu dir, aber das muss ja nicht gleich morgen sein.«
    Entdecke im wärmsten Eck des Gartens, ganz nah bei der Mauer, das erste Veilchen. Hat heuer lange auf sich warten lassen. Freue mich darüber wie der schelmische Neidhart vor 500 Jahren, scheiße es aber nicht wie dieser zu → schließlich brauchen Veilchen keinen zusätzlichen Dünger.
    Mache mich an das erste Beet des Jahres. Hocke in meinem Blauzeug und meiner dicken Arbeitsjacke am Boden. Lockere mit der Spitzhacke die Oberfläche auf. Ein paar warme Tage haben genügt, Wildkräuter wachsen zu lassen. Zupfe sie aus und komme ins Schwitzen. Trotz meiner zusammengebundenen Haare hängen mir einzelne Strähnen in die Augen. Weil ich zu faul bin, mir die Arbeitshandschuhe ständig an- und auszuziehen, wische ich mir mit ihnen die Haare aus dem Gesicht. Irgendwann kommt mir dabei Erde zwischen die Zähne und ich schmecke, dass jetzt endlich die neue Pflanzzeit beginnt.
    Bleibe einige Stunden im Garten. Sehe nach langer Winterpause erstmals wieder Hausbewohner kommen und gehen. Grüße sie, aber sie lassen mich in Ruhe weiterarbeiten und verwickeln mich nicht in Smalltalk. → Leo hat sie wirklich gut ausgesucht! Schaue kurz von meinem gejäteten Fleckchen Erde auf und sehe, wie ein Fremder die Stiegen auf Tonis Seite raufgeht. Er wird ein Gast von einer Mieterin sein, denke ich. Sehe ihn durch das Gangfenster im 1. Stock. Toni ist nicht zuhause, sie macht einen Besuch im Hospiz und geht am Abend mit ein paar Alten ins Theater. Da der Typ aber nicht wieder runterkommt, vermute ich, dass er Benno sein muss. Was weiter bedeutet: Toni hat ihm ihren Wohnungsschlüssel gegeben. Das heißt: Es ist ernst!
    Lockere mit dem Sauzahn das Salatfeld. Bringe abschließend fertige Erde vom alten Kompost auf. Bin verschwitzt und dreckig. Setze mich auf meine Holzbank, trinke Jasmintee aus der Thermoskanne. Eine Amsel zwitschert ihr Frühlingserwachen, Wolken rücken über mich hinweg, bin angenehm müde nach der körperlichen Arbeit → auch mein Darm freut sich über das Winterende und setzt mit seiner Peristaltik ein. Setze mich auf mein Holzklo und freue mich über wurstartigen Stuhl mit einigen Klumpen. Denke an meine Mutter und ihren Mythos vom wunderbaren weiblichen Körper, der nach jedem Jahreszyklus zu erneuter Kraft und Schönheit erwacht. Wie Demeter, die die Erde aufleben lässt, weil Persephone aus dem Hades zurückkehrt. In Anbetracht meiner noch leicht stockenden Verdauung und meiner weißen, schlaffen Haut, der dieser Winter gehörig zugesetzt hat, fühlt sich mein

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