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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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übrigens. Muss ihn mir jetzt wirklich mal ansehen. Toni verwendet unerträglich peinliche Kitschallüren: »Mit ihm spüre ich die Abläufe des Universums. Unsere Körper kreisen wie auf Planetenbahnen umeinander.« Unmöglich! Das Höchste ist, sie leugnet jeden Anflug von Übertreibung, behauptet »so ist es eben« und meint, sie tische mir sachliche Berichterstattungen auf. Wenigstens ist ihr Gemüseauflauf genießbar, wenn mir schon ihre Äußerungen auf den Magen schlagen.
    Toni im Magen und Berta im Kopf. Das gestrige Gespräch mit ihr schwirrt mir noch zwischen den Ohren. Ertappe mich, Sätze wiederholend und Worte wiederkäuend. An sich haben wir ein offenes Gesprächsklima erreicht, berücksichtige aber noch immer ihre Distanz. Das lähmt meinen Denkprozess irgendwie. Wünsche mir, beim nächsten Mal schlagfertiger zu sein. Die besten Argumente gegen Bertas Ansichten fallen mir leider erst im Nachhinein ein. Muss mich auf unsere Treffen besser vorbereiten, mich in die besprochene Thematik einlesen, um ihren Stellungnahmen nicht schutzlos ausgesetzt zu sein. Sie ist bei mir im Wohnzimmer gesessen. Es hat ganz harmlos mit Fäkalien angefangen:
    »Scheißen ist unsere einzige Aufgabe,
dazu
sind wir auf der Welt. Punktum. Alles andere ist netter Zeitvertreib zwischen den Stuhlgängen, reine Ablenkung«, so meine Worte.
    »Du meinst ernsthaft, sonst bräuchten wir nichts tun? Wir hätten keine moralische Verpflichtung, gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung vorzugehen? Hauptsache, geschmeidiger Kot rinnt uns aus dem Arsch?«
    Wir haben wohl das Ende der Gedankenleiter erreicht. Doch mir ist der Vorwurf des Eskapismus nicht fremd. Auch Pazifisten müssen sich Vorwürfe wegen ihrer passiven Haltung gefallen lassen.
    »Wenn sich alle um ihre eigene Scheiße kümmern würden, wäre alles in bester Ordnung.«
    »Aber das kann doch nicht dein Ernst sein!«, ruft Berta. Plötzlich zieht Leben in sie ein. Sie setzt sich auf, ihr Gesicht ist zwar noch immer versteinert, aber ihr Körper wird beweglich. »Wenn du dich nur um deinen eigenen Dreck kümmerst, lässt du dir automatisch auf den Kopf scheißen. Merkst du denn nicht, was rund um uns abläuft? Hier findet ein globaler Wirtschaftskrieg statt, und wir sind die Bauernopfer. Wenn wir die Mächtigen nicht bald entmachten, wird es zu spät sein. Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten! Helen, du bist doch finanziell autonom, lebst beinahe autark, bist von keinem Dienstgeber abhängig,
du
könntest dich leicht gegen Missstände auflehnen.
Du
hättest nichts zu befürchten. Und was tust du?
Scheißen
! Du verkriechst dich in deinem Plumpsklo und glaubst, wenn das alle tun, gibt es keine Probleme?«
    Berta ist aufgebracht. Irgendetwas von dem, was ich gesagt habe, muss sie gestört haben. Mein Klo allein kann daran nicht schuld sein.
    »Weshalb sollte ich mich um Wirtschaft kümmern?«, frage ich. »Auf einmal tun alle so, als gäbe es keine anderen Sorgen. Im Radio höre ich nichts anderes mehr. Als wäre Wirtschaftswachstum mein Leben. Was geht es mich an, ob irgendwelche Leute Geld verdienen oder verlieren? Warum sollte ich mir wegen der Schulden oder Verluste irgendwelcher Banken Gedanken machen? Warum sollte ich den Problemen anderer Aufmerksamkeit schenken?« Sie wirkt ein wenig entsetzt von meinen Ansichten. »Missverstehe mich bitte nicht, ich weiß schon, dass alle mit allen zusammenhängen: Deutschland, Griechenland, China, USA. Aber ehrlich: Die machen so viel Wind um Wirtschaftsdaten, das kann nur auf Kosten wichtigerer Themen gehen. Das ist reines Ablenkungsmanöver. Frag dich doch zuerst einmal,
wovon
abgelenkt wird.«
    »Du meinst wahrscheinlich, von Scheiße«, sagt Berta mit einem abschätzigen Unterton.
    »Und allem, was dazugehört«, sage ich.

FORTSETZUNG VERHÖRPROTOKOLL, 24. JULI 2012
    […] Nein, ich hab Helen nicht nach Berta gefragt. Ich hab Ihnen ja schon gesagt, dass das nichts bringt. Wenn sie nicht von sich aus erzählt, erfährt man eben nichts. Außerdem hat sie Berta mir gegenüber nie wieder erwähnt. Deshalb hab ich sie auch wieder vergessen. Na ja, nein, vergessen hab ich sie nicht. Ich hab einfach nicht mehr an sie gedacht und mich beruhigt. Wenn Helen nicht über sie spricht, kann sie nicht so wichtig für sie sein, war meine Überlegung. Erst wie Helen mit diesen seltsamen Fragen angefangen hat, hab ich mich wieder an Berta erinnert.
    […] Ja, seltsame Fragen zu seltsamen Themen, die sie noch nie mit mir besprochen hat. […]

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