Die wilde Gärtnerin - Roman
seine Stiefelspitze in Antons Seite zu stoßen. Der starrte noch immer zur Decke. Magda wimmerte leise. Nebenan wurde die Küche nach Verwertbarem durchsucht, bis der Soldat endlich das Haus verließ.
Allmählich kam Gefühl in Antons Körper zurück. Sein Gesicht tat weh, seine Rippen schmerzten. Die Starre löste sich. Er stützte sich auf seine Arme, zog sich mühsam hoch, setzte sich auf. Seine Beine blieben betäubt. Er sah Magda eingerollt auf dem Bett liegen. Ihr Körper hob und senkte sich vom Weinen. Anton hievte sich auf das Bett, schleifte seine Beine nach, robbte vorwärts, bis er auf Höhe seiner Mutter war. Sie blutete aus der Nase. Ihr Auge war rot-blau geschwollen, genau wie ihr Mund. Anton deckte sie zu. Sollte er ihr Wasser holen? Brauchte sie neue Kleider? Fror sie? Er wusste nicht, was er tun sollte. Er hätte gerne tröstende Worte gefunden. Worte, die er in diesen Raum stellen konnte, die seiner Mutter helfen, die sie wieder heil machen würden. Aber er fand nichts, sagte nichts, konnte nicht helfen. Er fühlte sich nur unendlich nutzlos. Und schuldig. Als er seine Zehen wieder spürte, stand er auf und öffnete das Fenster. Wenigstens
diesen
Gestank konnte er aus dem Zimmer verbannen.
»Wir gehen nach Wien zurück«, beschloss Anton. In der Dämmerung rannte er hinter Magda her, sah ihre dreckige, zerrissene Kombinege und das Kleiderbündel in ihren Händen. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich anzuziehen. Aus Angst, sie könnte die Soldaten wecken. Magda wollte nur schnell aus dem Haus, weg von dem Ort, an dem sie erneut vergewaltigt worden war. So lange, bis die Männer über ihr weggebrochen und eingeschlafen waren. Denn der Weinrausch, in dem sie lagen, war im Vergleich zum komatösen Wodkaschlaf ein unruhiger. Sie konnten jederzeit erwachen und die Prozedur von Neuem beginnen.
Magda hatte sich still unter den Soldaten aus dem Bett gestohlen, ihre Kleider gepackt und war losgerannt. Barfuß. Anton, der vor dem Zimmer auf sie gewartet hatte, lief ihr wortlos über den Hof nach, die Böschung hinauf. Anton hörte aufgeregte Rufe, kurz darauf zischten Revolverkugeln an seinen Ohren vorbei. Magda und er rannten weiter, querten ein freies Feld, krochen im nächsten Weingarten in ein dichtes Gestrüpp. Anton hörte die Stimmen russischer Soldaten vom Feld herüber. Sie waren auf der Suche nach seiner Mutter. Sie fluchten. So viel Russisch verstand Anton mittlerweile. Wieder fielen Schüsse. Wahrscheinlich schossen sie nur in die Luft, um ihnen Angst zu machen, überlegte Anton. Sie konnten Magda und ihn nicht gesehen haben. Hätten sie gewusst, wo sich die beiden versteckten, wären sie längst bei ihnen gewesen. Dann würden sie mit »dawai, dawai« Anton ein Gewehr an den Kopf halten und seine Mutter aus dem Gebüsch zerren. Aber die Soldaten standen restbetrunken auf dem Feld, schossen wahllos um sich und wurden ihrer Verfolgungsjagd bald überdrüssig. Es gab viele Frauen im Dorf.
Magda krümmte sich neben Anton. Sie zitterte, obwohl dieser Abend der erste mildere nach dem langen Winter war.
»Wir gehen nach Wien«, sagte Anton, aber er war sich nicht sicher, ob seine Mutter ihn hören konnte. Sie wippte vor und zurück. »Mama, wir gehen nachhaus. hörst du? Wir warten, bis es hell wird, dann brechen wir auf.«
Magda drehte ihm ihr Gesicht zu, aber sie schaute irgendwie an ihm vorbei. Es war, als ob sie ihn gar nicht sah. Anton nahm ihr das Wäschebündel aus den Händen. Es waren ihr Kleid, eine Strickjacke, ihr Mantel und Schuhe. Er nahm den Mantel, breitete ihn über Magdas Schultern. Sie schüttelte sich heftig, als würde sie der Mantel schmerzen.
»Nein, nicht«, sagte sie und wischte ihn von sich. »Erst muss ich mich waschen.«
»Gut, aber wart noch ein bissl, ja? Wenn’s ruhiger is, dann gehen wir zum Bach.« Sie nickte. »Es ist vorbei, Mama, wir gehen nachhaus. Es ist vorbei«, versprach ihr Sohn.
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5.3.
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