Die wilde Gärtnerin - Roman
des Alltags war. Er hat gut gekocht, eigentlich, aber seinen Abgang hat er schwer versalzen.
Bringe Toni aus dem Garten den ersten Bärlauch mit, von dort, wo die Blumenwiese noch schläft, die Felsbirne gestutzt und der Holunder kahl ist. Wir machen daraus Gnocchi. Toni ist wie immer bester Laune, sogar noch strahlender als sonst. Sie freut sich, dass ich bei ihr bin, sagt sie. Erzähle ihr, dass ich den Jünger getroffen habe. Nenne ihn in Tonis Gegenwart Benno. Frage sie, ob sie ihm ihren Wohnungsschlüssel gegeben hat. Sie hat.
»Scheint nett zu sein«, sage ich. Toni macht Augen wie eine Henne, die gerade ein außergewöhnlich prachtvolles Ei ausbrütet.
»Ist er«, sagt sie. Mehr reden wir darüber nicht. Obwohl mir Tonis Liebschaften generell gleichgültig sind, hoffe ich diesmal, dass der Jüngling sich länger hält. Hoffe es für Toni
und
für mich. Warum? → Erwarte ich mir dadurch, dass sie mehr Zeit mit ihm als mit mir verbringt? Also mehr Freiheit für
mich
?
Toni rückt mit einem anscheinend bereits lang gehegten Plan heraus: Sie würde gerne ein Sommerfestival veranstalten. Hier im Haus. Eine Woche im Juli sollen Interessierte an Kursen teilnehmen und Kurse veranstalten. Jede bietet an, was sie an spirituellem Wissen anzubieten hat und partizipiert (wie Toni es nennt) an dem Wissen anderer. Alles kostenlos und in freundschaftlicher Atmosphäre (
Geborgenheit
ist das Wort, das Toni benutzt). Mit gemeinsamen Mahl-, Schlaf- und Meditationszeiten.
»Was hältst du davon?«, fragt sie nach längerem Redeschwall. Komme aber nicht dazu, zu antworten. »Benno ist total begeistert. Er sagt, er wird die Betreuung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer übernehmen, damit ich mich voll auf die Inhalte konzentrieren kann«, sprudelt es weiter aus ihr heraus. Ob ich mir vorstellen könne, dafür meinen Garten freizugeben, fragt sie. Sehe, dass sie diese Frage Kraft kostet. Als wollte sie mich damit nicht belasten, aber weil ihr Wunsch dieses Festival betreffend derartig dringlich ist, muss sie es eben tun. Bitte mir Bedenkzeit aus. Obwohl es natürlich völlig ausgeschlossen ist, Tantra-Schamanen-Shantis im Mondlicht durch meine Kräuterbeete tanzen zu lassen. Die sollen sich schön artig in Tonis Praxis auf Krafttiersuche begeben, aber nicht unter meinen Mulchdecken herumstöbern. »Kannst du mir bis Ende des Monats Bescheid geben, geht das? Bitte?«, sagt Toni.
Berta noch immer nicht zuhause.
17.3.
Stolpere online über einen beunruhigenden Terroranschlag. Der Vorstand von Deutschlands größtem Energiekonzern wurde in seiner Dienstlimousine mit einem Sprengsatz im Kofferraum auf dem Atommülllager Gorleben ausgesetzt. Die Bombe ging zwar nicht hoch, frage mich aber, was die besten Stresstests nützen, wenn man auf dem verstrahlten Gelände das Auto vom Chef ganz gemütlich abstellen kann. Den Behörden sind Täter und Motive dieser Aktion unbekannt.
In unserem letzten Gespräch hat Berta gemeint, man müsse etwas gegen die Zustände tun. Gegen die Mächtigen vorgehen. Sich nicht auf den Kopf scheißen lassen, waren ihre Worte. Wollte jemand mit dem Anschlag auf das Atommülllager »etwas tun«? War das ein kraftvoller Aufstand der Entmachteten oder die Demonstration unbedarfter Hilflosigkeit? Würde zu gerne wissen, was Berta davon hält. Ist sie darüber irritiert oder kann sie darin einen Sinn erkennen? Aber sie ist nicht drüben. Mir fehlt der Austausch mit ihr, obwohl ich erst wenige Male mit ihr zusammen war. Als ob eine alte Gewohnheit abrupt unterbrochen worden wäre. Hoffe, sie erscheint bald wieder hinter ihren Fenstern.
Pflanze Erdbeeren und setzte ein Band Knoblauch quer über das Beet. Schneide meine zwei Rosensträucher. Streue auch hier Knoblauchsaat aus. Das sollte Pilze abhalten. Bald kommt Lavendel dazu, dann wollen auch Blattläuse nichts mehr von den Rosenknospen wissen. Setze Kapuzinerkresse daneben. Entdecke den ersten Löwenzahn in der Wiese. Etliche Blätter des Märzenbechers streben auch schon emsig in die Höhe.
Toni bringt mir Topinambursuppe. Redet über ihre Alten, über ihre Kundinnen, erwähnt ihren Jünger oder das Sommerfestival aber mit keinem Wort.
19.3.
Arbeite nach dem Frühstück weiter am Beeren-Beet: Setze Ribiseln, Himbeeren und Brombeeren zu den Erdbeeren mit genügend Abstand, und Kamille dazwischen, damit sich alle gut vertragen. Es ist bewölkt und kühler als zuletzt, aber mir wird im Blauzeug trotzdem warm. Die Bewegung tut meinem Körper gut. Seit
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