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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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AKW-Vorstands? War
sie
sein Entführer? → Laut eines Online-Artikels fahndet man nach dem Fahrer des Vorstands. Er ist seit dem Vorfall unauffindbar.
    Bei Tageslicht betrachtet, ist meine nächtliche Befürchtung natürlich völlig grotesk. Aber zwischen zwei und drei Uhr nachts hat mein wirrer Kopf die Meldungen über den Terrorakt zu einem stichfesten Täterinnenprofil für Berta zugeschnitten. Konnte in der Nacht außer Acht lassen, dass sie eine Frau ist und in den Artikeln eindeutig von einem Chauffeur die Rede war. Außerdem wohnt sie in Wien, und die Entführung fand in Gorleben, Norddeutschland, statt. Nur weil sie ein paar Tage weg war, wird sie gleich von mir verdächtigt? Nur weil sie kapitalistische
Warengesellschaft, Entmachtung der Mächtigen
und
Systemänderung
in einem Atemzug ausspricht, traue ich ihr zu, einen älteren Herren neben lecken Atommüllcontainern auszusetzen?
    Schlafe trotz rationaler Gegenargumente nicht wieder ein. Für eine gute Stunde verwandelt sich mein Bett in heißen Treibsand, der mich zu ersticken droht. Ziehe meinen Mantel über den Pyjama und gehe in den Garten. Dort beruhigen mich Stille, Dunkelheit und Kälte. Atme kräftig durch, wie von Leda gelernt. Sage mir vor, dass Berta erlaubterweise eine Woche wegbleiben darf und deshalb noch kein Verdacht auf sie fällt. Sie dürfte sogar länger wegbleiben, ohne von mir wieder krimineller Aktionen bezichtigt zu werden. Mein Beobachtungsobjekt hat das Recht, sich so lange wie erwünscht meiner Beobachtung zu entziehen. Ich muss deswegen nicht schweißgebadet aufwachen.
    Die Luft riecht nach Winter und vermoderter Erde. Das kühlt meinen Kopf und verweht die Bedenken. Stattdessen ziehen Schwere und Müdigkeit in meinen Körper ein, gemeinsam mit der Bereitschaft, es wieder mit dem Hinlegen zu versuchen. Gehe nach oben. Sehe von meinem Zimmer aus auf die Straße, auch auf Bertas Fenster. Eines davon mit heruntergelassener Jalousie. Berta kann schlafen, also sollte ich das auch können.
    Toni weckt mich um zehn. Genauer gesagt rüttelt sie mich wach. Etwas panisch ruft sie: »Helen, Helen!«
    Öffne die Augen und sehe ihren besorgten Gesichtsausdruck. Die Stirn unter den Schneewittchen-Haaren liegt in Falten. Muss ihr erklären, weshalb ich nicht schon längst wach bin. »Keine Angst, ich verabschiede mich nicht im Schlaf, das hast du mir verboten.« Helen findet meine Anspielung nicht lustig. »Was machst du hier überhaupt um diese Uhrzeit?« Sie müsste doch Kundinnen haben.
    »Ich hab den ersten Termin erst am Nachmittag. Komm rüber zu mir, ich hab dir einen Kuchen gebacken. Komm, Benno ist auch da.«
    »Sicher nicht.« Meine Reaktion ist vielleicht etwas forsch, aber auch spontan ehrlich. Bin noch verschlafen und definitiv nicht gesellschaftsfähig. Was überfällt sie mich mit solchen Forderungen? »Toni, ich will lieber allein sein«, relativiere ich meinen Ausbruch.
    Toni schaut traurig. »Ich komm am Abend zu dir, gut?« Sie zieht weiterhin ein beleidigtes Schnäuzchen. Am Abend gehe sie mit Benno ins Kino. Glücklicherweise lädt sie mich nicht dazu ein, sonst würde sich unser Pas de deux der Missverständnisse fortsetzen. Will nach dieser Nacht keinesfalls mit Toni und dem Jüngling beisammensitzen, peinlich vor mich hinstarren oder seine Locken am Kopf zählen. Die sollen schön allein spielen.
    »Toni, es geht mir gut. Danke für den Kuchen, aber ich will heute niemanden sehen. Mir ist einfach nicht danach. Ist das okay für dich?« Klinge wie eine Montessori-Lehrerin. Toni ist von meiner Absage enttäuscht, unterliegt aber meiner Pädagogik.
    »Gut, dann morgen Abend.« → Sie gibt einfach nicht auf.
    In der Wohnung meiner Gegenüber-Nachbarin rührt sich nichts. Möchte mit Berta über die Entführungs- und Atommüllsache reden. Andererseits wäre es äußerst unangenehm, ihr mit meinen Verdächtigungen im Hinterkopf gegenüberzusitzen. Würde mich doch lächerlich machen, wenn ich sie darauf anspräche. »Du, bist du eine Kriminelle? Baust du Bomben? Entführst du alte Männer, die im Vorstand von Energiekonzernen sitzen?« Entweder sie hält mich danach für verrückt oder sie ist beleidigt. Zumindest ihr Vertrauen würde sie mir entziehen. Kaum erzählt sie mir von ihren Ansichten und gestattet sich, einige Tage wegzubleiben, schon traue ich ihr aktionistische Überfälle zu. Die wird sich hüten, mich dann jemals wieder an ihren Gedanken teilhaben zu lassen. Oder sie fügt jeder ihrer Meinungen den Nachsatz

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