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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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die Luft, Hummeln sind noch langsamer, selbst die sonst regen Fliegen verharren gelassen bei einem Sonnenbad. Der Winter ist überstanden!
    Toni verhält sich seit zwei, drei Tagen äußerst ruhig. Sie hat mit ihrem Shanti-Treffen zu tun. Ob einige von ihrer Altengruppe auch kommen werden? Hoffentlich stirbt mir niemand im Garten, kippt um und erdrückt mir den Rhabarber. Gut, wenn mir als Entschädigung wenigstens die sterblichen Überreste übergeben werden … damit daraus auf dem Kompost bester Dünger entstehen könnte. Aber da kommt sicher wieder Pietät und Ethik ins Spiel und aus ist es mit dem Verrottungsprozess. Bereue, dem Shanti-Treffen meine Zusage gegeben zu haben. Am liebsten wäre mir, sie kämen doch nicht in meinen Garten.
    9.4
    Berta ruft an.
    »Warum ist deine Handynummer unterdrückt?«, frage ich.
    »Gewohnheit«, sagt sie. »Was ist, Treffen im Garten?« Schaue zu ihr hinüber, sie hat ihr iPhone (jetzt wieder das?) an der Backe. Nicke ihr zu. Kurz danach steht sie vor der Haustür. Wir trinken Tee auf der Holzbank. Die Glyzinie schlängelt sich mühsam an der Pergola hoch und lässt ihr betörendes Aroma erahnen. Habe mein Blauzeug mit obligaten Gummistiefeln an, meine Arbeitshandschuhe liegen neben mir. Berta trägt ihre weiten Hosen, ein bedrucktes Shirt unter einer leichten Sportjacke. Raffe mich zu einer direkten Erkundigung auf. »Was machst du denn immer so?«
    »Auf einen Bildschirm starren«, kontert sie.
    Was als wahre Aussage verifiziert werden kann, mich aber nicht weiterbringt. »Auf Jobsuche?« Fühle mich durch die Fragerei wie ein Eindringling.
    »Auch«, sagt sie und beendet damit meinen investigativen Ansatz. Berta übernimmt den Frage-Vorsitz und begrenzt das neue Untersuchungsgebiet auf jene zarten Pflanzen, die in letzter Zeit meine Beete besiedelt haben. Bin mir nicht sicher, ob sie das wirklich interessiert, stehe aber Rede und Antwort. Plötzlich seufzt sie und entspannt sich ein wenig. Ob das mit den paar Metern zwischen ihr und ihrem Laptop zu tun hat? Mit dem Tee, oder dem jungen Grün? Ihre Entspannung gleicht der eines Gummiringerls, das statt zehn Strohhalmen kurzfristig bloß fünf zusammenhalten muss.
    »Weißt du, ich hab über dich nachgedacht, deine Art zu leben, ist verlockend. Beinahe beneidenswert, weil sie so einfach ist«, sagt sie, und ihre Stimme klingt aufrichtig. »Ich kann deine Motivation gut verstehen, wirklich. Nichts mit dem ganzen Wahnsinn zu tun haben zu wollen. Sich sein eigenes kleines Glück bauen. Ja, das hat was.« Sie blinzelt in die Sonne. Ihr kurzes Haar schimmert erdäpfelbraun. »Aber ich könnte so nicht leben. Ich kann mich unmöglich damit zufrieden geben, einfach wegzuschauen. Jedes Unrecht zu übersehen, alle Ungleichheiten hinzunehmen.« Sie sagt das müde. Ohne Kampfgeist und Elan wie sonst. Fast enttäuscht und ausgelaugt klingt sie. Ein Resultat der elektronischen Strahlenbelastung? »Weil wer nichts tut, stimmt zu, automatisch. Oder um in deinem Duktus zu sprechen: Wer sich ausschließlich um seinen eigenen Scheiß kümmert, wird beschissen.«
    »Aber was machst
du
?«, frage ich und zwar nicht vorwurfsvoll, sondern weil ich wirklich nicht weiß, was sie tut. Außer an ihrem Computer zu sitzen.
    »Genau, was mach ich schon?« In dem Satz liegt mehr als nur ein Hauch von Frustration.
    »Was willst du denn machen?« Frage sie in aufrichtiger Ratlosigkeit. Ist sie von ihrer endlosen Arbeitssuche enttäuscht? Sehe, wie sich mein Schatten in ihrer hellgrünen Iris spiegelt. »Ich kann dir sagen, was ich nicht will. Ich will nicht, dass 10 Prozent der Bevölkerung 70 Prozent des Vermögens besitzen. Ich will nicht, dass die auch noch täglich reicher werden. Ich will nicht, dass sie keine Steuern zahlen, aber alle Annehmlichkeiten westlicher Zivilisation in Anspruch nehmen. Ich will nicht, dass 90 Prozent für Schulden zahlen, mit denen andere viel Geld machen. Außerdem stelle ich mit wachsendem Unwohlsein fest, dass mein Einfluss auf die Gestaltung gesellschaftlicher Gerechtigkeit äußerst limitiert ist. Firmen kaufen sich Politiker und Gesetze. Konzerne missbrauchen den angeblich freien Markt, um Monopolstellungen auszubauen. Durch Preisabsprachen und Fusionen wird unsere ohnehin nur repräsentative Demokratie unterwandert. Akkumuliertes Geld beugt Rechtsstaatlichkeit. Im Anschluss an billionenschwere Bankenrettungspakete mokiert man sich über zu hohe Sozialausgaben und setzt gleich darauf einen Sparkurs im Gesundheits-,

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