Die wilde Gärtnerin - Roman
alte Berichterstattung von Zeitungen, die im Besitz von Banken, Versicherungen und Medienkonzernen sind. Der würde ich nicht unbedingt trauen. Schau dir die Webseiten an.«
Nach dieser Aufforderung wechseln wir abrupt das Thema. Sprechen von meinem Garten, welche Arbeit als Nächstes ansteht. Erzähle ihr von meinem Tontopf, der bald von der Toilette in die Blumenwiese umgesetzt wird. Erwähne Tonis Sommerfestival mit einigen zynischen Bemerkungen. Berta amüsieren meine Darstellungen. Sie meint, wenn das tatsächlich so wird, wie ich vermute, dann muss sie sich das unbedingt ansehen. Als sie ihre Füße wieder anwinkelt und aufsteht, schätze ich ihren Verdauungsvorgang als vorübergehend abgeschlossen ein.
»Dann bis bald. Danke, hat gut geschmeckt«, sagt sie. Frage mich, ob ihre Sommersprossen auch ihr Gemüt leichter gemacht haben?
13.4 .
Mache mich in Sachen Vorsorgefonds klüger. Sitze mehrere Stunden am Computer und finde den Hacker-Brief, der zwei Tage lang die Startseiten österreichischer Vorsorgekassen geziert hat:
Zahlt Ihr Unternehmen Monat für Monat Pensions- und Abfertigungsbeiträge in eine Vorsorgekasse ein? Dann sollten Sie folgendes wissen:
1.) Österreichweit verwalten 17 Vorsorgekassen ein Vermögen von rund 20 Milliarden Euro (und es wächst monatlich).
2.) Dieses Vermögen wird in intransparenten Finanzprodukten veranlagt wie Derivaten, Ausfallsversicherungen, Private Equity, Hedgefonds u. a.
3.) Dadurch verursachen über 2,6 Millionen österreichische Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer Kursschwankungen bei Rohstoffen, Staatsanleihen und Immobilien.
Sie sind direkt beteiligt an Nahrungsmittel- und Währungsspekulationen, die zu einer Milliarde Hungernder weltweit führen.
Falls Sie Ihre staatlich geförderte Rolle am globalen Finanzmarkt-Wahnsinn nicht mehr erfüllen wollen, kündigen Sie Ihren Pensions- und Abfertigungsvertrag!
Unglaublich, Tausende sind dieser Aufforderung gefolgt und wollten ihre Verträge kündigen. Was unmöglich ist. Erstens kann man nicht bestimmen, ob und zu welcher Kasse man will, obendrein kann man nicht vom Vertrag zurücktreten. Ganz lecker: Niemand erfährt, was mit dem Geld gemacht wird. Es gibt null Mitsprache und keine Kündigungsmöglichkeit. Das ist undemokratisch und hat nichts mehr mit Kapitalismus zu tun, meinen viele Blogeinträge → lese die normalerweise nicht, aber versuche unterschiedliche Meinungen einzuholen (auf Bertas Rat hin).
Viele Leute regen sich auf, weil sie an Griechenlands Staatsbankrott oder Öl-Kriegen nicht mit schuld sein wollen. Habe von der Theorie gelesen, wonach die Preissteigerungen des täglichen Lebens (durch Spekulationen) und die Sparmaßnahmen wegen drohender Staatspleiten mehr kosten, als die Gewinne von Pensionen oder Abfertigungen abwerfen. Also bringt diese Ansparerei mehr Nachteile als Nutzen → alles, um das Volumen an Spekulationsgeldern aufzublasen. Sehe da eindeutige Parallelen zur Scheiße → auch hier bringt Sparen nichts außer Verstopfung und Blähungen. Bezweifle, ob sich irgendetwas ändern wird, solange dieser Zusammenhang nicht auch von anderen erkannt wird. Da haben auch die lieben Hacker zu kurz gedacht. Absurdes Detail am Rande: Das Vorgehen institutioneller Anleger ist legal, aber der Hackerangriff gilt als Straftat, für die bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe steht.
Weiß, warum ich gewöhnlich einen Bogen um diese Aufregungen mache (zu denen mich eindeutig Berta verleitet): Reagiere mit nervösem Magen und Durchfall → gesunde Reaktion meines Körpers; will schlechte Einflüsse auf schnellstem Weg loswerden. Brauche nach meinem dünnflüssigen Geschäft eine zusätzliche Schaufel Asche.
Klingle bei Toni, um dem Elektrosmog zu entfliehen. Sie verabschiedet sich gerade von einer Shiatsu-Kundin. Lade mich bei ihr zum Essen ein, was sie wie immer fröhlich stimmt. Toni trägt seit Langem wieder ein rotes Samtband in ihrem Schneewittchen-Haar. Habe frühen Mangold aus dem Garten mitgebracht, sie macht damit Risotto. Sitze am großen Esstisch, während sie an der Küchenzeile hantiert. Toni hat von der ganzen Hacker-Sache nichts mitbekommen. »Du weißt doch, dass ich ohne mediale Panikmache ganz gut lebe«, versteht sie meine plötzliche Aufregung wegen irgendwelcher Bankgeschäfte nicht. »Geld hat dich doch noch nie interessiert«, ist ihr einziger Kommentar dazu. Sie ist anscheinend immun gegen Wirtschafts- und Krisenthemen, die sie zentrifugal von sich schüttelt wie grüne Blätter
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