Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Mitgefühl
geboten ist. Es geht mir gut. Alles verläuft wieder in geordneten Bahnen.
Natürlich ist da noch mein Urogenitaltrakt, aber im großen und ganzen verläuft
mein Leben wieder etwas geradliniger.
[38] 6
Präludium zu einem Untergang mit fliegenden Fahnen
Bogus Trumper
918 Iowa Ave.
Iowa City, Iowa
2. Okt. 1969
Mr. Cuthbert Bennett
Hausmeister / Pillsbury Estate
Mad Indian Point
Georgetown, Maine
Mein lieber Couth,
habe deine
lieben Ermunterungen und den überaus großzügigen Scheck erhalten. Die Iowa
State Bank & Trust schnürt Biggie und mir die Kehle zu. Ich freue mich
schon drauf, ihnen deinen Scheck unter die Nase zu halten. Wenn Biggie und ich
jemals flüssig sein sollten, machen wir dich zu unserem Ehrenhausmeister. Im
Ernst, wir würden wirklich gern für dich sorgen, Couth – und dafür, daß du
während der langen, einsamen Wintermonate auch genug ißt, daß du deine Mähne
vierzigmal bürstest, ehe du zu Bett gehst, und daß du eine schöne, junge
Wärmflasche für dein vom Seewind umwehtes Bett hast. Ich weiß auch schon,
welche schöne, junge Wärmflasche für dich in Frage käme. Sie heißt Lydia
Kindle. Ganz im Ernst.
Ich habe sie im
Sprachlabor kennengelernt. Sie macht Deutsch im ersten Semester, aber ansonsten
ist noch nicht viel an sie rangekommen. Gestern kam sie auf mich zu und zirpte: [39] »Mr. Trumper, gibt es
keine Bänder mit Liedern? Ich meine, die Konversationsübungen kenn ich schon.
Gibt es keine Bänder mit deutschen Balladen, oder vielleicht mit Opern?«
Ich hielt sie
etwas auf; ich durchkämmte die Kartei, während sie das Fehlen von Musik im
Sprachlabor und im Leben allgemein beklagte. Sie ist scheu wie eine Katze, die
auf Samtpfoten umherläuft; sie hat ständig Angst, ihr Rock könnte das Knie
ihres Gesprächspartners berühren.
Lydia Kindle
möchte gerne deutsche Balladen ins Ohr geflüstert bekommen. Oder sogar Opern, Couth!
Bei meinem neuen Job, meiner bisher degradierendsten Tätigkeit
überhaupt, habe ich keine derartigen musikalischen Illusionen. Ich verkaufe
Buttons und Wimpel und Kuhglocken bei den Footballspielen in Iowa. Ich schleppe
ein großes Brett aus Sperrholz rund um das Stadion, von einem Eingang zum
anderen. Die Tafel ist breit und wackelig und steht auf einem
staffeleiähnlichen Gestell; der Wind bläst das Ding um, die kleinen goldenen
Fußbälle werden zerkratzt, die Buttons gehen kaputt, die Wimpel zerknittern und
kriegen Flecken. Ich bekomme Provision: 10% von dem, was ich verkaufe.
»Der Hawkeye-Wimpel
nur ein Dollar! Zwei Dollar für eine Glocke! Die großen Buttons fünfundsiebzig
Cent! Nur ein Dollar, Madam, für die Anstecknadeln mit den winzigen goldenen
Bällen! Die Kleinen sind ganz wild darauf; die Bälle sind gerade so groß, daß
die ganz Kleinen sie nicht verschlucken können. Nein, mein Herr, diese Glocke
ist nicht kaputt! Sie ist nur ein ganz klein
wenig verbogen. Diese Glocken können gar nicht kaputtgehen! Sie bimmeln ein
ganzes Leben lang!«
Ich kann die
Spiele umsonst sehen, aber ich kann Football nicht ausstehen. Und ich muß diese
grellgelbe Schürze mit einer riesigen Tasche für das Wechselgeld tragen. Und
einen großen, polierten Button, auf dem steht: HAWKEYE ENTERPRISES – GREIF ZU ! Alle [40] diese Buttons haben Nummern, im Stadion
verständigen wir uns mit Nummern. Der Kampf um den besten Standort ist hart. Am
Samstag sagte mir Nr. 368: ›Das ist mein Platz, 501. Zieh bloß Leine hier!‹ Er
trug einen Schlips mit einem roten Bällchen darauf; er hat viel mehr Buttons
und Wimpel und Kuhglocken verkauft als ich. Ich wurde gerade eben so viele los,
daß ich eine Dreimonatspackung Antibabypillen für Biggie erstehen konnte.
Drück Iowa die
Daumen, Couth. Beim nächsten Spiel krieg ich vielleicht das Geld für eine
Sterilisation zusammen.
Mir wurde
gesagt, falls Iowa jemals ein Footballspiel gewinnen sollte, würden wir alle
viel mehr verkaufen. Der Verkaufschef von Hawkeye Enterprises, Mr. Fred Paff,
hat uns die Psychologie der Fans in einer Vorbesprechung erklärt und gesagt,
daß die Menschen aus Iowa sehr stolz seien und einen Gewinner bräuchten, ehe
sie ihre Antennen schmückten und sich Anstecknadeln oder Buttons an die Mäntel
hefteten. »Keiner möchte auf der Seite des Verlierers stehen«, meinte Paff, und
zu mir sagte er: »Na, wir sind ja beide
Freds! Wie findest du das?«
»Ich kenne noch
einen Fred in Spokane, Washington«, gab ich zurück. »Vielleicht sollten wir
drei mal
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