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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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was starten.«
    »Du hast Sinn
für Humor!« rief Fred Paff. »Du hast hier gute Chancen. Sinn für Humor braucht
man in diesem Geschäft.«
    Laß es dir gesagt sein, Couth, du hast loyalere und
beständigere Fans als die Footballmannschaft von Iowa. Biggie und ich wissen
deine Fotos fast ebensosehr zu schätzen wie dein Geld. Dein »Selbstporträt mit
Seetang« hat es Biggie besonders angetan. Ich habe, offen gesagt, die
Befürchtung, daß es illegal ist, solche Fotos mit der Post zu schicken, und ich
will weder dir noch deinem Körper zu nahe treten, aber mir hat die »Tote
Seemöwe Nr. 8« besser gefallen.
    Schleich doch
mal in deine Dunkelkammer und mach so eins für mich; ich meine, mach es von
mir. Mach mich bleich und [41]  irgendwie
fahl, falte meine Hände, so wie es sich gehört, und neben mir plazierst du den
Sarg. Öffne den Deckel des Sarges einen Spalt, so daß er schon auf Fred Bogus
Trumper wartet, der versucht sein könnte, sich umgehend auf diese plüschige
Samtauskleidung zu legen. Vernichte das Negativ. Mach nur einen Abzug, 8 x 10.
Bring irgendwie auch die Gesichter meiner Familie drauf; Biggie, steif vor
Trauer, aber nicht bitter, und Colm, der mit dem verschnörkelten Griff des
Sarges spielt. Meine Eltern solltest du unterbelichten. Beweg den Mund meines
Vaters, ja, mach ihn ganz verschwommen. Er hält die Totenrede. Die Überschrift:
»Man muß während seiner Ausbildung auch Entbehrungen auf sich nehmen…« Dann
steck es in einen Trauerumschlag und schick das ganze Ding an das Sekretariat der
University of Iowa, mit ein paar knappen Worten der Entschuldigung dafür, daß
der Verblichene es versäumt hat, seine Studiengebühren zu entrichten. Die
wurden nämlich von der Verwaltung wieder erhöht und enthalten nun eine
Sportgebühr. Das Ganze zweifellos nur, um die neuen goldenen Fußballstollen und
die Sommerparade zu bezahlen: ein Meer von gelben Rosen, die eine riesige
Getreideähre formen.
    Du hast es gut,
daß du eine Dunkelkammer hast, Couth. Ich seh dich nackt in dem unheimlichen,
roten Licht, du hantierst mit Chemikalien, entwickelst, vergrößerst; du machst
ein Bild von dir auf reinem, weißem Papier. Irgendwann einmal, wenn wir Zeit
haben, mußt du mir das Fotografieren beibringen. Die Macht, Dinge festzuhalten,
fasziniert mich. Ich weiß noch, wie ich dir mal beim Wässern der Abzüge
zugesehen hab; ich habe gesehen, wie die Bilder im Wasser langsam deutlich
wurden und Konturen annahmen; das war mehr, als ich ertragen konnte! Genau so,
als würden ganz viele amöbenhafte Dinger an einem bestimmten Punkt
zusammenschwimmen und einen Menschen bilden.
    Ich schreibe
dir, während ich gerade mit der Übersetzung der achtunddreißigsten Strophe von Akthelt und Gunnel beschäftigt [42]  bin.
Das letzte Wort macht mir zu schaffen: Klegwoerum. Mein
Doktorvater meint, es hieße »reif«. Ich sage: »fruchtbar«. Mein Freund Ralph
Packer schlägt vor: »verdorben«. Und Biggie meint, es sei eigentlich egal.
Biggie ist schonungslos offen.
    Aber ich
glaube, sie zeigt langsam Zeichen von Schwäche. Es paßt eigentlich überhaupt
nicht zu ihr, aber in letzter Zeit nimmt sie es persönlich, wenn ihr irgendein
Achtzigjähriger im Krankenhaus mal kurz die Brust betatscht, während sie ihm
die Bettpfanne unter dem Hintern wegzieht. Weißt du, Biggie weint nie. Aber
weißt du, was sie dafür manchmal macht? Wenn sie ein loses Stück Fingernagel
entdeckt, zieht sie es ganz langsam nach unten. Ich hab einmal gesehen, wie sie
es bis an den Ansatz heruntergezogen hat. Biggie blutet, aber sie weint nicht.
    Couth, seit ich mir von Elsbeth Malkas deinen Tripper gefangen
habe, fühle ich mich dir verbunden. Oder vielleicht haben wir uns beide geholt,
was Elsbeth schon hatte. Die Detailfrage, wer es nun zuerst hatte, erschien mir
für unsere Freundschaft nie besonders wichtig.
    Noch einmal,
spül alle siebzehn Klos auf mein Wohl. Es wäre mir eine Herzensfreude, zu
wissen, daß es irgendwo auf dieser Welt Toiletten gibt, die nicht mit
Suspensorien verstopft sind. In der nächsten nebligen Nacht öffne alle Fenster – im Nebel hallt der Ton am besten vom Wasser wider– und spül los! Ich werde
dich hören und jubeln.
    Biggie läßt dich vielmals grüßen. Sie ist in der Küche und
schält gerade wieder ihre Finger. Sie ist ziemlich beschäftigt, sonst hätte ich
sie gebeten, ein Stück Fingernagel beizulegen, ein Stück ihrer trumperischen Stärke
auf eine kühne Reise von Iowa nach Maine zu schicken.
    Dein

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