Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
bläst ein
Haar von den Tasten und befingert vorsichtig seine Stirn; schon seit einiger
Zeit befürchtet er, sein Haaransatz werde sich eines Tages so weit
zurückziehen, daß sein Gehirn freiliegt. Aber wäre das eine Erniedrigung, die der Rede wert ist?
Er nimmt auf:
»Es ist gefährlich, wenn man sich zu sehr mit emotionalen Trivialitäten
befaßt.«
[30] Doch
beim Versuch, das wiederzugeben, bemerkt er, daß er seine Ansage zu nah bei
einem Krankenbericht seines Vaters aufgenommen hat – einem Bericht, der im
Arbeitszimmer des hochverehrten Doktors in Great Boar’s Head aufgezeichnet
wurde, vor einem Live-Publikum, bestehend aus Biggie und seiner Mutter, die der
Beschreibung eines normalen Arbeitstages lauschen. Bogus ist sicher, daß er das
alles bereits gelöscht hat, aber offenbar nicht restlos. Oder vielleicht sind
bestimmte Teile der Reden seines Vaters in der Lage, sich selbst zu
reproduzieren. Bogus kann dies nicht gänzlich ausschließen.
»Es ist
gefährlich, wenn man sich zu sehr mit emotionalen Trivialitäten… wie Blasen, die leicht infizierbar sind, obwohl das wesentliche
Problem die Nierenkomplikationen sind… «
STOP. REWIND. ERASE.
Mit einem
unterdrückten Kichern nimmt Bogus auf: »Ich beschließe, besser darauf zu
achten, wie ich pinkle.«
Mitternacht ist schon vorbei, als Bogus in Fitchs Haus ein
Licht angehen sieht und Mr. Fitch in einem breitgestreiften Pyjama durch die
Diele trippelt. Seine Blase, denkt Trumper. Aber Fitch erscheint auf der
Veranda; im Licht der Straßenlaterne wirkt sein Gesicht gräulich. Fitch kann seinen Rasen nicht in Ruhe lassen! denkt
Bogus. Er hat Angst, daß im Dunkel der
Nacht ein Blatt darauf heruntergedonnert ist!
Doch Mr. Fitch
steht einfach nur mit hocherhobenem Haupt da; seine Gedanken sind längst
weitergewandert. Ehe er wieder hineingeht, schaut er zu dem hellerleuchteten
Fenster, hinter dem Bogus wie versteinert sitzt. Dann winken sie einander zu,
und Fitch schleicht zurück in seinen düsteren Flur und löscht das Licht.
Diese
nächtlichen Begegnungen. Bogus erinnert sich daran, wie Colm in Great Boar’s
Head einen Zahn bekam. Colm hatte beim Zahnen Schwierigkeiten gehabt; er hielt
Biggie und Bogus’ [31] Mutter
nachts immer auf Trab. Einmal löste Bogus die beiden ab und schlich sich weg,
an den Strand. Er ging an all den kleinen Häuschen vorbei, bis er das Haschisch
vor Elsbeth Malkas Veranda roch. Elsbeth kifft
mit ihren Eltern! Sie
waren schon als Kinder miteinander befreundet gewesen; er war mit ihr
aufgewachsen (einmal in ihrer Hängematte). Jetzt ist sie Lehrerin an einem
Mädchenpensionat und wird in Bennington, wohin sie nach dem Abschluß als
Lehrerin zurückkehrte, die Dichterin genannt.
»Eigentlich ist
es Inzest«, hatte sie einmal zu Biggie gesagt.
Und Biggie
hatte geantwortet: »Da kann ich nicht viel dazu sagen.«
Heute gilt ein
Kind als akzeptiert, dachte Trumper, wenn es seine Eltern so weit bringt, daß
sie mit ihm kiffen. Er versuchte sich in dieser Rolle vorzustellen. In
Doktorrobe hält er eine kurze Ansprache und drückt dann seinem Vater einen
Joint in die Hand!
Bogus schlich
näher, um sich diese wunderbare Eintracht der Generationen anzusehen, aber das
Haus der Malkas war dunkel. Elsbeth erspähte Trumpers gebückte Silhouette vor
dem helleren Hintergrund des Meeres und setzte sich in ihrer Hängematte auf der
Veranda auf. Elsbeth Malkas hatte einen gedrungenen, öligen Körper; nackt und
schwitzend saß sie in ihrer Hängematte und kiffte.
Aus sicherer
Entfernung, von dem kleinen Hügel neben der Veranda aus, sprach Bogus über
Colms Angewohnheit, mitten in der Nacht einen neuen Zahn zu bekommen. Später
gab es dann einen Augenblick, wo er sich diskret hätte zurückziehen können –
als sie ins Haus ging, um ihr Diaphragma zu holen. Doch der altmodische Charme
dieser Vorrichtung rührte ihn; er stellte sich vor, wie das Diaphragma neben
Radiergummis, Bleistiften und Briefmarken – den Werkzeugen dieser Dichterin,
die einen ganzen Schreibtisch voller Behälter benötigte – herumlag, und er war
zu fasziniert, als daß er hätte gehen können.
Er fragte sich
vage, ob er sich von Elsbeth holen würde, was er [32] sich vor langer Zeit schon einmal von ihr
geholt hatte. Aber in der Hängematte tat er nur seine Enttäuschung kund, daß
Elsbeth das Diaphragma schon eingesetzt hatte, als sie noch im Haus war. »Warum
wolltest du es denn sehen ?« fragte sie ihn.
Er konnte kaum
von den Radiergummis,
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