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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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meine Unterhose einfach darüber.
    Dann stiegen
wir alle in den Lieferwagen ein, mit viel Hin und Her, wer wo sitzen und wer
fahren sollte. Schließlich setzte sich Eddy ans Steuer und meinte: »Wir haben
Ihre kleine Freundin vorbeifahren sehen.«
    [234]  »Wenn
es überhaupt Ihre Freundin war…«, sagte Harry zu mir. Aber so zwischen ihnen
eingekeilt, antwortete ich lieber nicht. Ich spürte, wie meine Füße warm wurden
und in die Schuhe zu bluten anfingen, direkt neben der blutigen Ente.
    Der vorsichtige
Harry hatte die Gewehre zwischen die Tür und sein Knie geklemmt, außer
Reichweite; verständlicherweise war er etwas miß-trauisch gegenüber einem
umherstreunenden verrückten Nudisten.
    »Meine Güte!«
Eddy klang, als wolle er sich selbst überzeugen: »Wie der Teufel ist sie die
verdammte Straße langgebrettert…«
    »Sie hätte dich
fast umgenietet«, fügte Harry an.
    »Ja, mein Gott,
ich war so verdattert«, erklärte Eddy ihm, über mich hinweg, »ich dachte gar
nicht daran, ihr aus dem Weg zu gehen.« Er machte eine kurze Pause und fuhr
dann fort: »Ich werd verrückt, zwei so tolle Titten, schön und fest, hinter dem
Lenkrad. Es war fast so, als wäre sie damit gefahren…«
    »Ja, Mensch,
ich war hier oben in der Kabine«, erwiderte Harry. »Ich hab ihr ganzes Dings gesehen.
Ich geh kaputt! Hab ihr direkt in den Schoß geguckt!« Er machte eine kurze
Pause und fuhr dann fort: »… so ein schönes buschiges, kleines Ding…«
    Der neidische
Eddy wollte nochmals auftrumpfen: »Na ja, aber ich hab die zwei Titten gesehen.
Hab genau hingeguckt.«
    Fast wäre ich
an diesem Punkt in die Unterhaltung eingestiegen; mir lag schon auf der Zunge
zu sagen: »Ich hab auch ziemlich genau hingeguckt.« Doch ich schaute auf den
Boden, auf den schlaffen Hals der Ente und ihren nach oben gerichteten Bauch;
die Federn um die klaffende Wunde, den sauber ausgeführten Schnitt, waren
blutdurchtränkt.
    Dann sagte Eddy
neben mir laut: »Ich werd verrückt, da ist sie ja!« Und wir starrten alle drei
auf den meergrünen Edsel, der vor uns am Straßenrand stand.
    »Fahr
langsamer«, sagte Harry, doch ich hoffte, er würde nicht zu langsam fahren.
    [235]  Langsam
glitten wir an ihr vorbei; drei gaffende Gesichter drehten sich nach rechts, um
sie in Augenschein zu nehmen. Harry und ich wandten uns um und sahen, wie der
Edsel immer kleiner wurde, während Eddy in den Rückspiegel schaute und leise
vor sich hin fluchte: »Scheiße, o Mann, Scheiße…«
    »Oh, Scheiße«,
stimmte Harry ein.
    Doch ich war
erleichtert, als ich sah, wie sich Lydia Kindle hinter dem Steuer anzog, sich
zurechtmachte, unter unseren Blicken ihre Jacke zuknöpfte; das war für mich das
Zeichen, daß sie sich wieder gefangen hatte.
    Und wie sie
sich gefangen hatte! Ihr Blick war kalt und spiegelte kein Erkennen wider – sie
schien unbeeindruckt davon, daß ich in dem Lieferwagen saß, oder bemerkte es
womöglich gar nicht; oder sie war so gelassen, auf so fürchterlich erwachsene
Weise gelassen, so erschreckend gefaßt, daß sie einfach durch uns hindurchsah.
    Die
Vergewaltigung war vollkommen; Lydia Kindle war ihrer Unschuld gründlicher
beraubt worden, als es irgendein Perversling je hätte planen können.
    Ich schob meine
pochenden Füße etwas nach vorn; Eddy furzte, und Harry furzte zurück. Ein paar Zentimeter
von meinem Fuß entfernt trockneten die klebrigen Augen der Ente langsam aus,
ihr Glanz verblaßte.
    »Ich werd
verrückt«, sagte ich.
    »Ja, Scheiße«,
antwortete Eddy.
    »Mein Gott,
ja«, stimmte Harry ein.
    Geteilter
Kummer; wir waren ein durch unsere Enttäuschung verbundenes Trio.
    Auf dem Highway
raste der meergrüne Edsel an uns vorbei. Eddy drückte auf die Hupe, und Harry
brüllte: »Nur zu, du kleine Süße!«
    Und ich dachte:
Lydia Kindle wird sich wahrscheinlich in eine andere Sprachlaborgruppe für
Erstsemester Deutsch eintragen.
    [236]  Eddy
verließ den Highway an der Clinton Street, und wir fuhren am Stadtpark vorbei
in die Stadt. Als wir den Fluß überquerten, begann Harry, eine Ente zu rupfen,
riß ihr wild große Daunenbüschel aus und warf die Federn aus dem Seitenfenster.
Doch die Hälfte der Federn wurde wieder hereingeweht, und mit seinem langsamen
Rupfen riß er die ölige Haut der Ente auf. Harry schien das nichts auszumachen;
mit finsterer Besessenheit rupfte er weiter. Eine Feder blieb an Eddys Lippe
kleben; er spuckte aus und kurbelte sein Fenster herunter. In dem plötzlichen
Durchzug begannen Tausende

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