Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
von Federn im Wageninneren umherzuwirbeln. Harry
johlte und warf mit einer Handvoll davon nach Eddy, der auf den Seitenstreifen
schlingerte und nach dem erdrosselten Vogel des verrückten Harry schlug. Dabei
grabschte er über meinen Schoß hinweg und gackerte wie ein Irrer.
Am Flußufer
standen ein paar frierende Spaziergänger und sahen beunruhigt hinauf zu diesem
riesigen lecken Kissen, das da der Stadt entgegenbrauste.
Als wir am Park
vorbei waren, gingen die Straßenlaternen an, und Eddy fuhr langsamer, starrte
auf die leuchtende Lampenreihe, die die ganze Clinton Street säumte, als sähe
er das achte Weltwunder. »Habt ihr das gesehen?« fragte er mit kindlichem Staunen.
Der in
Entenfedern eingehüllte Harry hatte nichts gesehen, doch ich bestätigte Eddy:
»Ja, sind alle auf einmal angegangen.«
Eddy drehte
sich zu mir um, erstickte fast, öffnete den Mund und prustete los: »Dein
Schnurrbart ist voller Federn!« Er faßte über mich hinweg an Harrys Knie und
kreischte: »Mensch, guck mal, dem sein Schnurrbart!«
Mit der fast zu
Brei verarbeiteten Ente auf seinem Schoß starrte Harry mich feindselig an, ehe
er sich zu erinnern schien, wer ich war und wie ich hierherkam. Ich ließ ihm
nicht die Zeit, mir, wie ich befürchtete, als Antwort darauf eine Faust voll
Federn in den Rachen zu stopfen, sondern drehte mich zu Eddy herum und [237] fragte ihn höflich und
bescheiden: »Würden Sie so freundlich sein, mich hier rauszulassen? Das wär
nett.«
Eddy trat voll
auf die Bremse, hielt mit einem Ruck an, und Harry knallte mit dem Kopf gegen
das Armaturenbrett. »Mensch!« brüllte er und hielt sich die Ente wie einen
Verband an die Stirn.
»Vielen
herzlichen Dank«, sagte ich zu Eddy und wartete darauf, daß Harry vom Sitz
rutschte. Als ich hinter ihm herrutschte, konnte ich meinen gefiederten
Schnurrbart einen Moment lang im Außenspiegel sehen.
Harry stand auf
dem Trittbrett und hielt mir die Ente hin. »Hier, nimm schon«, ermunterte er
mich. »Wir haben ’n Arsch voll davon.«
»Verdammte
Inzucht, ja«, stimmte Eddy ihm zu, »und ein bißchen mehr Glück beim nächsten
Mal!«
»Klar, Kumpel«,
sagte Harry.
»Vielen
herzlichen Dank«, erwiderte ich. Ich wußte nicht genau, wie ich die arme Ente
nun halten sollte, und packte sie vorsichtig an ihrem gummiähnlichen Hals.
Harry hatte sie ziemlich saubergerupft, doch innerlich schien sie völlig
zermatscht zu sein. Nur am Kopf und an den Flügelspitzen hingen noch ein paar
Federn; es war eine schöne Brautente gewesen, mit einem bunten Kopf. Sie hatte
nicht mehr als drei oder vier Einschußwunden; die schlimmste Verletzung war der
nackte Schlitz, wo sie ausgenommen worden war. Ihre großen Füße fühlten sich an
wie Sesselleder. Und auf der Schnabelspitze klebte ein eingetrockneter,
durchsichtiger Blutstropfen, wie eine kleine matt schimmernde Murmel.
Von der
Bordsteinkante am Flußufer aus winkte ich den beiden großzügigen Jägern noch
einmal zu. Und hörte, kurz bevor die Wagentür zugeschlagen wurde, Harry sagen:
»Mein Gott, Eddy, ist dir aufgefallen wie der nach Möse gestunken hat?«
»Meine Scheiße,
ja«, antwortete Eddy.
[238] Dann
fiel die Tür zu, und als sich die Räder des Lieferwagens quietschend in
Bewegung setzten, stand ich in einer Wolke von feinem Sandstaub.
Als sie die Clinton Street hinabfahren, wirbeln sie hinter sich
den Staub empor ins Licht der Straßenlaternen, während auf der anderen Seite
des Flusses, bei den Uferhäusern, die wie Militärbaracken aussehen – billiges
Zeug aus dem Krieg, das sich jetzt Wohnheim für Verheiratete Studenten
nennt –, zwei Nachbarsfrauen ihre Wäsche von der gemeinsam benutzten Leine
nehmen.
Langsam werde
ich wieder klar im Kopf und überlege, in welcher Richtung mein Zuhause liegt.
Aber als ich die ersten Schritte tue, stolpere ich vom Bürgersteig und schreie
laut auf. Meine Füße; sie sind aufgetaut. Jetzt kann ich jedes Loch spüren, das
der Unterwasserstacheldraht gerissen hat, jeden spitzen Maisstrunk, auf den ich
getreten bin. Als ich mich wieder erhebe, spüre ich ein schrotkugelähnliches
Teil unter meiner rechten Sohle; ich fürchte, daß es eine meiner übel
zugerichteten Zehen ist, die in meinem blutdurchtränkten Schuh hin und her
kullert. Ich stoße noch einen Schrei aus, und die beiden Frauen am anderen Ufer
starren wortlos herüber.
Weitere Menschen
strömen aus den Kriegsrelikt-Hütten, wie Überlebende eines Bombenangriffs;
Studentenväter mit einem Buch in
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