Die wilde Jagd - Roman
damals zuteilgeworden waren. Als sie ihn hier zurückgelassen hatte und auf die Inseln gegangen war, um ihren Traum zu verfolgen und Heilerin zu werden, hatte es ihr beinahe das Herz gebrochen, aber sie hatte versprochen zurückzukehren, wann immer ihre Studien es erlaubten, und er hatte versprochen, auf sie zu warten. Aber jedes Mal, wenn sie voller Geschichten über die Leute, die sie getroffen, und die Dinge, die sie gelernt hatte, nach Hause gekommen war, war er selbstsüchtiger und ungeduldiger gewesen.
Warum verschwendest du deine Zeit und deine Gabe an diese Menschen? Du gehörst nach Astolar – und zu mir .
Am Ende war es mehr als die räumliche Entfernung gewesen, die sie voneinander getrennt hatte. Und jetzt gab es für sie beide keinen Weg zurück.
Sie stand auf, ging zum Rand der Terrasse und schaute über den See zu den fernen Bergen, die sich wie mit Goldfäden gestickt vom Himmel abhoben. Hinter sich hörte sie Schritte. Seine Hände legten sich auf ihre Schultern und liebkosten sie.
»Ich liebe dich, Tanith. Ich habe dich immer geliebt.«
Sie schloss die Augen, holte tief Luft und versuchte, Kraft zu sammeln.
»Ich habe dir schon vor drei Jahren gesagt, dass es aus ist. Es hätte nie anfangen dürfen.«
Tanith öffnete die Augen wieder und beobachtete, wie die Sonne durch den Nebel fiel, die Saelkies ins Licht schlüpften und einander in endlosem Spiel jagten.
»Du weißt, dass das nicht stimmt.« Seine Hände wanderten an ihren Armen herab bis zur Hüfte und umfassten sie. Er drückte seinen Körper gegen ihren Rücken und presste seine Lippen in ihr Haar. »Lass es zu, dass ich dich wieder liebe, und du wirst dich erinnern.«
Er küsste ihren Hals. Sein Atem fuhr über die winzigen Härchen auf ihrer Haut, und sein Sang strich genauso zart über sie. Verlangen stieg in ihr auf, regte sich in den Tiefen ihres Bauchs, und sie versteifte sich, damit sie seiner Umarmung nicht nachgab.
»Bitte nicht.«
»Wer sonst kann dich auf diese Weise berühren?«, flüsterte er. »Wer sonst kennt deinen Körper so wie ich?«
Küsse flogen an ihrem Hals herunter bis zu den Schultern; sein Sang schlang sich um den ihren und brachte ihn zum Pulsieren. Die Teetasse fiel ihr aus der Hand und zerschellte auf den Steinfliesen.
»Ich will dich lieben. Sei meine Braut, und wir werden Astolar gemeinsam regieren.«
Es wäre so einfach, sich in Ailrics Umarmung zu schmiegen, sich von seinen Liebkosungen entwaffnen zu lassen und das Versprechen zu erfüllen, das sie ihrem Vater gegeben hatte: dass astolanischer Samen auf astolanischer Krume Frucht tragen würde. Aber als sie erwachsen geworden waren, hatten sie sich voneinander entfernt, und der Junge, den sie einst geliebt hatte, war zu einem Mann geworden, den sie nicht wiedererkannte. Er hatte polierte, höfische Manieren und pflegte eine kühle Verachtung für seine Umwelt, während sich ihr Herz nach jemand anderem sehnte.
Mit einem Keuchen entwand sie sich seinen Armen. Porzellanscherben knirschten unter ihren bloßen Füßen, und sie spürte einen scharfen Schmerz.
Ailric starrte sie an. Sein Gesicht wurde von der Morgensonne vergoldet, und er hielt die Hände vor ihr flehend ausgebreitet. »Tanith …«
»Für uns gibt es keine Zukunft«, sagte sie und schämte sich, weil ihre Stimme zitterte. »Was wir hatten … ist schon vor Jahren zu Ende gegangen. Es ist vorbei.«
Er senkte die Hände und hielt den Blick weiterhin auf sie gerichtet. »Dein Körper sagt etwas anderes.«
Bei jedem raschen, flachen Atemzug war sich Tanith der aufgerichteten Brustwarzen unter ihrer Seidenrobe nur allzu deutlich bewusst. Sie richtete die Robe und zog die Schärpe enger. »Ich glaube, du solltest jetzt gehen.«
Der Blick seiner flammenfarbenen Augen glitt so vertraulich über sie wie eine Berührung und kannte sie genauso gut wie seine Lippen oder seine Hände. »Willst du das wirklich?«, fragte er leise.
»Geh, Ailric! Bitte.«
Er lächelte. »Natürlich. Verzeih mir. Ich habe dich überfordert. Es ist eine wichtige Zeit für das Haus Elindorien und für dich. Ich darf nicht erwarten, dass du mir hier und jetzt deine Antwort gibst.« Er ergriff ihre Hände und führte sie an die Lippen. »Bis später, meine Liebe.«
Dann verneigte er sich und ließ sie allein auf der Terrasse zurück.
Tanith starrte die geschnitzten Schiebetüren noch an, nachdem er sie schon lange hinter sich geschlossen hatte. Hatte Ailric überhaupt ein Wort von dem verstanden, was sie zu
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