Die wilde Jagd - Roman
zwei Wochen sitze ich Stunde um Stunde hier, und Ihr zeigt mir gar nichts ! Ich muss Übungen wiederholen, die ich schon seit mindestens einem Monat beherrsche, und werde doch ausgeschimpft. Ich habe genug davon.«
Fast ohne Vorwarnung sprang Ythas Magie auf und legte sich ihr um die Kehle. Es reichte nicht, um sie zu würgen, aber nun konnte sie nicht mehr schlucken. Teia fühlte sich, als würde sie gleich vom Kissen gehoben. Ein Zittern überlief ihre Haut.
Ytha kniff die katzengrünen Augen zusammen. »Ich glaube, du vergisst deinen Platz, Kind«, sagte sie. »Du bist meine Schülerin und wirst das lernen, was ich dir aufgebe. Und wenn das bedeutet, dass du hier sitzt und Flammen erschaffst, bis der Himmel auseinanderbricht und die Sterne auf die Erde fallen, dann ist es eben so. Ungehorsam werde ich nicht dulden.«
»Ja, Sprecherin«, krächzte Teia mühsam. Das Band aus Luft um ihren Hals lockerte sich, und sie sackte zusammen.
»Und jetzt erschaffst du eine Flamme.«
Ergeben rief Teia die Kraft wieder hervor. Die neue Flamme flackerte und zuckte wie in einem starken Luftzug, und sie hatte weder den Willen noch die Energie, sie zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn. Selbst wenn sie eine vollkommene Flamme schuf, zerschnitt Ytha ihre Magie und schickte das Feuer zurück in die Dunkelheit.
Einer von Drwyns Kriegern kratzte an dem Vorhang und steckte den Kopf herein. Es war Harl, und er wirkte nervös. »Verzeiht mir mein Eindringen, Sprecherin«, sagte er schüchtern.
»Was ist los, Mann?«
Er schluckte und wandte den Blick von der wütenden Sprecherin ab, dann sah er sie wieder an, und Teia bemerkte zum ersten Mal, dass er Angst hatte.
»Sie kommen.« Er trat zurück und schob den Vorhang beiseite.
Ytha erhob sich und richtete ihren Rock. In ihren grünen Augen glitzerte es. »Wie weit noch?«
»Sie sind auf der anderen Seite des Tals, kommen aber schnell näher. Es wird weniger als eine Stunde dauern.«
Ein eiskaltes Lächeln kräuselte Ythas Mundwinkel. »Ich verstehe.«
Sie nahm ihren Stab und legte sich den Polarfuchsmantel um die Schultern. »Bitte den Häuptling, zu mir in den Ausguck zu kommen, und dann soll sich der Clan versammeln. Wir müssen unseren Gästen einen passenden Empfang bereiten.«
»Ja, Sprecherin.«
Harl lief davon, und Ytha machte sich daran, ihm zu folgen. Sie blieb kurz auf der Schwelle stehen, hielt mit der grobknochigen Hand den Vorhang fest und sah zurück zu Teia, die noch mit gekreuzten Beinen auf dem Boden saß. »Du und ich, wir sind noch nicht fertig miteinander«, sagte sie. »Entweder du gehorchst mir, oder ich lösche dich aus.«
Dann war sie verschwunden.
Teia wartete, bis sie keine Schritte mehr hörte, dann sprang sie so schnell auf, wie ihr Bauch es zuließ. Sie hatte eigentlich gehofft, schon lange weg zu sein, aber neben ihrer Arbeit für den Häuptling und den Unterrichtsstunden hatte sie nur sehr wenig Zeit gehabt, um alles vorzubreiten. Und jetzt konnte es zu spät sein. Sie waren schon fast hier.
In der Schlafkammer hatte sie unter den Bettfellen die letzten Kleidungsstücke versteckt, die sie noch brauchte: ihr Wams aus Robbenfell und eine fellgesäumte Lederhose, die ein wenig mottenzerfressen, aber noch immer brauchbar war. Dazu Drwyns alte Hose, die sie vorsichtig geändert hatte. Überdies gute Stiefel, die sie nun anzog – ihr Rock war so lang, dass niemand es bemerken würde –, und noch ein paar andere Dinge.
Hastig stopfte sie alles in einen Korb und legte einen Sack mit Vorräten darüber. Sie hatte diese List schon mehrfach angewendet und war nie aufgehalten worden. Frauen mit Körben waren so oft auf dem Weg zu den Vorratsräumen zu sehen, dass sich niemand darüber wunderte, doch jedes Mal befürchtete sie, ihr hämmerndes Herz würde sie verraten, bevor sie die Versammlungshöhle durchquert hatte.
Sie holte tief Luft, was aber nicht dazu führte, dass sich ihr heftig pochendes Herz beruhigte. Ihr lief die Zeit davon. Sie konnte nicht einmal mehr die wenigen Minuten erübrigen, die es gekostet hätte, ihren Eltern Lebewohl zu sagen. Sie musste schon längst auf dem Weg sein, wenn Ytha zurückkehrte.
Ythas Rock flatterte im rauen Wind um ihre Knöchel, doch die Eiszapfen, die den Höhleneingang umgaben, schmolzen allmählich im Sonnenschein. Seit einigen Tagen war kein neuer Schnee mehr gefallen, und der Vorsprung war durch die Sonne und die vielen Schritte der Jagdgesellschaften fast völlig vom Schnee und Eis befreit. Sie trat an
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