Die wilde Jagd - Roman
den Rand, schirmte die Augen gegen die Sonne ab und schaute hinunter ins Tal.
Zwei Schatten sprangen von den Hügeln herab. Ytha konnte sie kaum erkennen, aber sie zogen zwei pfeilgerade Spuren durch den tiefen Schnee auf den Ort zu, an dem sie stand. Weder Felsen noch Schlünde und auch nicht die tausend Bäche, die den Boden durchzogen, konnten sie ablenken, und sie rannten so schnell, als ob sie unwiderstehlich von ihrem Ziel angezogen würden.
Ja. Maegern hatte ihr Wort gehalten, trotz allem, was dieses elende Mädchen gesagt hatte.
Ein Lächeln zerrte an Ythas Mundwinkeln. Das würde ihr die Herzen aller Häuptlinge verschaffen. Wenn sie diese Demonstration von Ythas Macht sahen, würde es keinen Raum mehr für Zweifel geben und keinen Platz für Skeptizismus. Sie alle würden sich Drwyn beim Auseinandergehen unterordnen. Sie schaute hoch zum Himmel, wo die dünne Sichel des zweiten Mondes über dem blassen Gespenst des dritten schwebte. Und unter dem Dreimond … würde der erste Sieg ihr gehören.
Stiefel schabten über den Steinboden hinter ihr, und sie drehte sich um. Drwyn trat neben sie und blinzelte in die Helligkeit.
»Die Hunde kommen also«, sagte er.
»Ja, mein Häuptling.« Ytha verneigte sich ganz leicht vor ihm, konnte es aber nicht verhindern, dass ihr Lächeln zu einem breiten Grinsen wurde.
»Dann sind also Teias Vorhersagen nicht eingetroffen.«
»Anscheinend nicht.« Bei den alten Göttern, das würde sie dem Mädchen schonungslos unter die Nase reiben und es genießen.
»Wenn das Wetter so bleibt, sollten wir bald in der Lage sein, nach Norden aufzubrechen.«
»Willst du nicht bis zum Einsetzen des Tauwetters warten?« Die Sprecherin zwang sich, wieder eine gleichmütige Miene zu machen, doch es fiel ihr schwer, die heftige Aufregung zu unterdrücken, die in ihrer Brust brodelte.
Drwyn schüttelte den Kopf. »Nein. Mein Vater hat immer gesagt: Wenn du etwas erledigen musst, dann erledigst du es am besten schnell. Ich habe schon weitere Späher ausgesandt. Zuerst wird es schwer sein voranzukommen, aber je eher wir aufbrechen, desto eher können wir die Kriegshauptmänner der Clans zusammenrufen. Ich habe einige Ideen zur Strategie, die ich ihnen beim diesjährigen Auseinandergehen unterbreiten möchte.«
Wirklich? Du wirst auf keinen Fall von der Strategie abweichen, die ich dir im letzten Winter dargelegt habe, mein Wölfchen, denn ansonsten riskierst du, Gwlachs Fehler zu wiederholen. Aber ich bin gespannt, ob du auf etwas gestoßen bist, was ich übersehen habe. Vielleicht schaffst du es ja, mich zu überraschen .
Sie beobachtete wieder die Hunde. Sie waren näher gekommen, und Ytha erkannte ihre heraushängenden Zungen und sah den aufgewirbelten Schnee, als die gewaltigen Tiere eine Wehe nach der anderen durchpflügten. Wie weit sie in wenigen Minuten gekommen waren! Jeder Sprung überwand sechs bis acht Spannen der schneebedeckten Erde. Sie konnte fast hören, wie die Pfoten durch die Eiskruste brachen.
»Du wirst der größte Häuptling sein, den das Gebrochene Land je gesehen hat, Drwyn«, sagte sie und zog ihren Polarfuchspelz enger um sich. »Dein Name wird Geschichte schreiben.«
»Mehr als der Gwlachs?«
»Natürlich. Gwlach fehlte es an Kriegsgeschick. Du aber hast in Eirdubh und vielen anderen Männern erfahrene Krieger; wenn du auf ihren Rat hörst und dich tapfer schlägst, brauchst du nichts zu fürchten.«
Er kicherte, und in seinen dunklen Augen blitzte es. »Und all das habe ich meiner Clansprecherin Ytha der Weisen zu verdanken«, sagte er.
Mit der Unverschämtheit, an die sie sich inzwischen gewöhnt hatte, schlang er den Arm um ihre Hüfte und drückte ihr einen kitzelnden Kuss auf die Wange. Doch nicht einmal das vermochte einen Schatten auf ihre gute Laune zu werfen. Die Hunde kamen, und sie würde triumphieren. Die Clans würden einen Häuptling der Häuptlinge haben, der sie zurück ins Land ihrer Ahnen führte, und sie würde zu seiner Rechten sitzen. Nichts konnte das jetzt mehr verhindern, egal, was dieses verfluchte Mädchen sagte oder sah. Sobald sie ihr Balg geworfen hatte, würde Ytha sie mit dem größten Vergnügen ausbrennen, und wenn Teia dadurch stumm oder blödsinnig wurde, war das umso besser.
Ein schwaches, angespanntes Lächeln verzog ihre Lippen. Wichtig war nur, dass Drwyn wusste, wem er seinen zukünftigen Ruhm zu verdanken hatte.
Und sie würde dafür sorgen, dass er es niemals vergaß.
Niemand sprach Teia an, als sie sich auf
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