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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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liebe Mühe damit, im Sattel zu bleiben, als sich das Pferd aufbäumte. Eine weitere Reihe von Erschütterungen schickte noch mehr Funken in die Luft. »Ist das ein Feuerwerk?«
    »Ich glaube schon«, sagte N’ril, der sich die Augen beschirmte und den treibenden Rauch betrachtete. »Es kommt von den Docks.«
    Mit sanftem Druck von Hacken und Händen bändigte Gair Shahe wieder und lenkte sie im Kreis herum, doch ihre angelegten Ohren und der nervöse Gang verrieten ihm, dass sie sehr unzufrieden war.
    Hinter N’ril versammelten sich die Hausdiener im Hof; sie zeigten in den Himmel und unterhielten sich lauthals miteinander. Hemdlos bahnte Alderan sich einen Weg zwischen ihnen hindurch; ein Handtuch lag um seinen Hals. Als ein schrilles Pfeifen ertönte, hob er den Blick und sah gerade noch, wie eine scharlachrote Blume im tiefblauen Himmel erblühte. »Ein Feuerwerk?«, rief er.
    Ein kleines Gesicht blickte über den Rand des Daches des Haupthauses und rief etwas auf Gimraeli. Gairs beschränkter Wortschatz an einfachen Ausdrücken reichte nicht aus, um die Worte zu verstehen, und so sah er N’ril fragend an.
    »Ein Lagerhaus am Ostkai steht in Flammen«, übersetzte dieser.
    Alderan trocknete sich das tropfende Gesicht ab und runzelte die Stirn. »Der Ostkai ist das Gebiet der Nordlandhändler«, sagte er. »Und das kaum einen Tag, nachdem drei Kultisten einen einsamen Ammanai im Souk angegriffen haben. Die Lage spitzt sich zu.«
    Gairs Rückgrat prickelte vor Unbehagen. »Sind wir in Gefahr?«
    »Nicht unmittelbar, aber ich würde sagen, dass wir weniger sicher sind als gestern. N’ril, wie schnell kannst du uns Vorräte besorgen?«
    »Es wird ein paar Stunden dauern. Spätestens morgen sind sie da.«
    Alderan schnalzte mit der Zunge und zupfte an dem Handtuch um seinen Hals. »Schneller wäre besser.«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann.« Mit einer raschen Verbeugung eilte N’ril aus dem Hof.
    »Vielleicht kann ich helfen.« Gair wollte absteigen, doch Alderan schüttelte den Kopf.
    »N’ril hat schon genug zu tun, da sollte er nicht auch noch auf dich aufpassen müssen.«
    »Die Kerle haben mich angefallen. Es war nicht meine Schuld, Alderan!«
    »Dabei ging es nicht um das, was du getan hast, sondern um das, was du bist.«
    »Ein Ammanai .«
    »Und bei deiner Größe ragst du hervor wie ein Maibaum auf dem Dorfanger. Selbst wenn du diese Männer nicht umgebracht hättest, wärest du zum Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden.« Alderan schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Gair, aber so ist es nun einmal. Solange wir nicht einen Wüstenmann aus dir gemacht haben, bleibst du besser außer Sichtweite.« Er streichelte Shahes samtige Nase. »Wie ich sehe, hast du dir ein Pferd besorgt. Ich schlage vor, dass du einige Zeit damit verbringst, es kennenzulernen. Sobald wir die Stadt verlassen haben, könnte dein Leben von diesem Tier abhängen.«

1 9
    Tanith schob die Wandschirme beiseite und trat auf die geflieste Terrasse hinter ihrem Haus. Der Tag hatte kaum begonnen, Nebelschwaden trieben noch über den Spiegel des Sees; die Berge dahinter waren nichts als blasse Umrisse im Dunst. Auf dem silbrigen Wasser standen kleine geschlossene Lilienblüten bereit für den Tag wie Speere über den Schilden ihrer Blätter. Weit draußen auf dem See fischte ein Haubentaucher etwas aus dem Wasser, schüttelte den Kopf und verstreute Tropfenperlen in der Luft.
    Astolar. Sie hatte diesen Ort vermisst. Sie war mit dem Seufzen der Birken und dem sanften Prasseln des Wasserfalls von Belaleithne aufgewachsen, und während ihrer fünf Jahre auf den Inseln hatte sie ihr Zimmer jeden Abend mit Erinnerungen an ihre Heimat gefüllt. Tiefes Moos statt Teppichen unter ihren Füßen, gewölbte Äste über ihrem Kopf statt Deckenbalken und Stein – all das hatte den Schmerz der Trennung gemildert.
    Doch als sie vor fünf Wochen vom Landungssteg den Boden ihres Volkes betreten hatte, hatte es keine ruckartige Verbindung gegeben. Auf dem langen Ritt landeinwärts vom Hafen nach Carantuil hatte sie die tiefen Seen, die weit vorstehenden Dächer und die abgestuften Türme über den Bäumen wiedererkannt, aber alles war ihr sehr fern erschienen, als sähe sie es durch dickes Glas. Sogar jetzt, da sie an einem wunderbaren Frühlingsmorgen auf der Terrasse ihres eigenen Hauses stand, fühlte sie sich eher wie eine Fremde als wie eine heimgekehrte Tochter des Weißen Hofes.
    Eine Brise kräuselte das Wasser des Sees, und sie

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