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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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erledigen, was nicht warten konnte.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. Sein Gesicht schwebte lange neben dem ihren. »Ich habe so sehnsüchtig auf deine Rückkehr gewartet«, flüsterte er. Sein Atem liebkoste ihr Ohr, und ein vertrautes Prickeln huschte an ihren Armen hoch.
    »Ich fürchte, die Ereignisse hatten sich gegen mich verschworen.« Tanith machte einen Schritt zurück und vergrößerte den Abstand zwischen ihnen.
    Am Rande ihres Blickfeldes erschien die Haushälterin wieder und legte ein zusätzliches Gedeck auf, bevor sie im Haus verschwand und diskret die Schiebetür hinter sich schloss.
    »Ja, dein Vater hat mir von demjenigen erzählt, dessen Geist geplündert wurde.« Ailric zog einen Stuhl für sie heran und sorgte dafür, dass sie bequem saß, bevor er ebenfalls Platz nahm und dabei den langen Mantel sorgfältig um seine schlanke Gestalt schlang. »Ein Mensch.« So, wie er es sagte, klang es nach einem niederen Lebewesen.
    »Ein Patient«, berichtigte Tanith ihn sanft. »Wenn man Heilerin ist, behandelt man alle gleich, ohne Ansehen der Rasse und ohne jemanden zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Tee?«
    »Ja, bitte.«
    Sie machte sich an den Tassen und der Teekanne zu schaffen und war sich seiner Blicke deutlich bewusst. Sie fühlte sich, als schmiege sich ihre Robe tropfnass um ihren Körper oder als spielten seine langgliedrigen Lautenspielerhände auf ihr. Nein .
    Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und setzte sich die Teetasse auf den Schoß. »Was führt dich so früh am Morgen hierher?«
    Er hob seine Tasse, trank aber nicht. »Ich wollte dich sehen, sobald ich nach Carantuil zurückgekehrt war. Ich hoffe, dich in der nächsten Woche zu deiner Vorstellung bei Hofe in die Halle begleiten zu dürfen.«
    Sie überspielte ihr plötzliches Unbehagen, indem sie mit unbeschwerter Stimme sagte: »Glaubst du, die Zehn würden mich so einschüchtern, dass ich eine Eskorte benötige? Als Kind habe ich in der Großen Halle mit meinen Puppen gespielt. Berec hat mir ein hölzernes Pferd geschnitzt, als ich vier Jahre alt war.« Sie nippte an ihrem Tee.
    »Aber du bist nicht mehr vier Jahre alt, deine Mutter ist nicht mehr an deiner Seite, die Thronfolge nicht mehr mondenweit entfernt. Deine Mutter ist nicht mehr da, und du bist die einzige Erbin des Hauses Elindorien.« Bernsteinfarbene Augen betrachteten sie durch die Dampfschwaden, die von seiner Tasse aufstiegen. »Würdest du die Gesellschaft eines Freundes nicht willkommen heißen?«
    Wenn sie an seinem Arm in die Große Halle einzog, würde er als ihr Gefährte erscheinen, und die Zehn würden von ihr erwarten, dass sie ihm das Treuegelöbnis gab. Und das durfte sie nicht zulassen.
    »Freunde sind mir immer willkommen, aber den Zehn muss ich allein gegenübertreten. Als Throninhaberin des Hauses Elindorien darf ich nicht den Eindruck erwecken, ich müsste mich auf jemanden stützen.«
    »Nicht einmal auf einen Freund?`«
    »Nicht einmal auf einen Freund.«
    Ailric stellte seine volle Tasse unangerührt wieder ab und schaute hinaus auf den See. »Vor meiner Abreise in den Norden habe ich mit deinem Vater gesprochen. Er hat mir seinen Segen gegeben, wenn ich um deine Hand anhalte.«
    Taniths Tee schmeckte plötzlich bitter, und als sie ihn herunterschluckte, blieb ihr Mund trocken. »Es ist zu früh für mich, an eine Heirat zu denken.«
    »Ich kann warten.« Er schob die Teetasse von sich, beugte sich zu ihr vor und ergriff ihre Hand. »Lass lediglich zu, dass ich dich liebe, so wie ich dich schon immer geliebt habe, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Damals bist du im See geschwommen.«
    Erinnerungen überfielen sie wie ein Sturm aus Blütenblättern; jede Einzelne war hell und zart. Stunden versunken in Musik, versunken in einander. Küsse, die sich anfühlten, als würden sie niemals enden; ineinander verschlungene Finger, die nicht mehr in der Lage zu sein schienen, sich je wieder zu lösen.
    Sie schluckte den Schmerz hinunter und sagte vorsichtig: »Das ist lange her.«
    »So lange nun auch wieder nicht! Meine Gefühle für dich sind unverändert.«
    O Geister, beschützt mich . »Damals waren wir fast noch Kinder. Es war falsch, die Dinge sich so entwickeln zu lassen – und wir wussten es.«
    Ihre Worte bohrten sich wie Pfeile in ihn und ließen ihn ein wenig in sich zusammensinken. Es war falsch gewesen. Sie war einfach zu jung gewesen, zu trunken von jedem Kuss, um auf die Worte weiserer Köpfe zu hören, die ihr

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