Die wilde Jagd - Roman
die Fensterläden deutete an, dass es irgendwo in der Stadt brannte. Entweder stand das Lagerhaus noch immer in Flammen, oder es war ein weiteres Gebäude im selben Viertel angezündet worden. Die kühle Nachtluft roch versengt.
N’ril kam mit starkem Tee und einigen Pasteten herein, als Gair fast angezogen war. Er zeigte Gair rasch, wie er den Qatan an seiner Schärpe zu befestigen hatte. Dann legte N’ril ihm den Turban in verzwickten Schleifen und Drehungen um den Kopf und befestigte den Stoff mit einer Nadel, deren kreisrunder Kopf in den Farben des Hauses Feqqin grün und golden emailliert war. Nachdem Gair zwei Becher heißen Tee hinuntergestürzt und sich das Gepäck über die Schulter geschlungen hatte, eilte er zu den Stallungen.
Alderan hatte die Pferde bereits gesattelt: einen anmutigen Grauen für sich selbst und Shahe für Gair. Die Stute war in der Finsternis nur an den silbernen Verzierungen des Zaumzeugs und Sattels zu erkennen.
»Weißt du, dass dein Pferd bissig ist?«, meinte der alte Mann und rieb sich den Arm. »Steig auf. Ich will weit weg von der Stadt sein, wenn die Morgendämmerung einsetzt. Für Nordländer ist es hier nicht mehr sicher.«
Gair schwang sich in den Sattel »Was ist passiert?«
»Anscheinend haben die Lagerhäuser dem Kult nicht gereicht. Zwei Wohnhäuser kaiserlicher Kaufleute sind angezündet worden, und einige Menschen wurden dabei getötet«, sagte N’ril und zurrte Gairs Gepäck sowie einen Schlafsack hinter dem Sattel fest. Dann hielt er Gairs Langschwert in die Höhe. »Das solltest du hier lassen. Es verrät dich noch mehr als deine Körpergröße.«
»Passt du für mich auf es auf, bis ich zurückkomme?« Gair legte die Hand auf den Griff des geliehenen Qatan. »Ein Schwert für ein Schwert?«
»Mit Vergnügen.«
Dann lief der Wüstenmann quer durch den Hof zum Tor und öffnete es weit. Auf der Gasse vor ihnen war nur ein streunender Hund zu sehen, der den Abfall durchstöberte, aber eine Brise trug ferne Rufe und Schreie herbei.
Alderan hielt beim Tor inne, beugte sich im Sattel vor und packte N’rils Schulter. »Danke«, sagte er. »Pass auf dich auf. Deine Mutter hat schon genug Söhne begraben müssen.«
Weiße Zähne blitzten in der Finsternis auf. »Ich werde vorsichtig sein.«
Zu Gair sagte N’ril: »Möge Gott geben, dass du keine Verwendung für das haben wirst, was ich dir gestern gezeigt habe. Wenn es aber doch so kommen sollte, musst du das Andenken meines Bruders mit einem guten Kampf ehren.«
»Ich werde es versuchen.« Gair ergriff seine Hand. »Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«
»Das werden wir; dessen bin ich mir sicher. Wir müssen schließlich noch die Schwerter tauschen. Und jetzt solltet ihr euch auf den Weg machen.«
Die mondversilberten Straßen von Zhiman-dar waren still, wirkten aber so seltsam, als ob die Menschen in den verschlossenen Häusern ängstlich darauf warteten, dass der Pöbel in ein anderes Stadtviertel weiterzog. Alderan führte sie die Gasse entlang und hielt an, als sie in eine Hauptstraße mündete. Vorsichtig schaute er sich um, bevor er sein Pferd in diese Straße lenkte. Die verwinkelten Dächer der Häuser auf der anderen Seite hoben sich gegen ein flackerndes orangefarbenes Licht ab. Ein dumpfes Brummen wie von einem unzufriedenen Bienenschwarm drang aus geringer Entfernung herbei.
»Wir müssen uns beeilen«, murmelte Alderan. »Ich glaube, es wird alles noch viel schlimmer werden.«
»N’ril hat gesagt, dass der Kult hier nicht wohlgelitten ist.«
»Sogar ein Wüstenmann kann sich manchmal in seinem eigenen Volk irren.«
Eine weitere Straßenkreuzung, eine weitere Gasse hinunter, schwarz wie Pech, weil der Mond hinter den Gebäuden der Stadt verborgen war. Gairs Puls schlug immer schneller. Er trieb Shahe an, doch die Stute wollte selbst so schnell von hier wegkommen wie möglich und fiel bei dem geringsten Druck seiner Absätze in einen schnellen Trab. In den staubigen Gassen verursachte sie kaum ein Geräusch, aber auf dem Steinpflaster der größeren Straßen hallte ihr Hufgetrappel erschreckend laut.
Ein blasser Turm ragte über den Gebäuden vor ihnen auf. Die rechteckigen Linien wirkten vertraut. »Ist das eine Kirche?«, flüsterte Gair.
Alderan nickte und stieß einen Fluch aus, als plötzlich die Glocke schlug. Jubel ertönte aus der nächsten Straße, und Gair roch den Gestank von brennendem Papier. Geschwind wie ein junger Mann schwang sich Alderan aus dem Sattel, rannte zur
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