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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Schleiers könnte von diesem Stein abhängen, Gair. Wir müssen ihn finden, bevor es jemand anderem gelingt.«
    »Damit meint Ihr Savin.« Allein schon den Namen auszusprechen verursachte ihm Schmerzen.
    »Ja. Der Schaden, den er damit anrichten könnte, ist unbeschreiblich. Er könnte ein Loch in den Schleier reißen, das groß genug ist, das gesamte Verborgene Königreich bloßzulegen, und er könnte dieses Loch offen halten und damit das Gleichgewicht zwischen den Welten für immer zerstören. Das dürfen wir nicht zulassen.«
    Ich darf nicht zulassen, dass er weiterlebt .
    Shahe drückte das Maul gegen Gairs Hand. Er senkte den Blick und sah, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstachen, weil er den Riemen des Ledereimers so fest gepackt hielt. Es kostete ihn einige Mühe, seinen Griff zu lockern und den Kübel zu heben. Sie trank laut und gierig.
    »Dann sollten wir uns wieder auf den Weg machen«, sagte er und bot das übrig gebliebene Wasser Alderans Grauem an.
    Er spürte den Blick des alten Mannes auf sich ruhen, als er den Kübel faltete und verstaute. Dann schwang er sich auf Shahes Rücken. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Auch gut. Er glaubte nicht, dass er in der Lage gewesen wäre, Alderan höflich zu antworten, solange er einen so faulen Geschmack im Mund hatte.

24
    Die Kälte drang Teia bis in die Knochen. Sie hatte sich so warm wie möglich angezogen, doch auch die vielen Lagen Pelz und Seehundfell vermochten dem Winter nicht zu trotzen, der ihr zusetzte, bis sie weinte und ihr die Tränen an den Wimpern gefroren. Die Hände und Füße taten ihr weh, und ihr Knochenmark schien sich in Eis verwandelt zu haben. Jeder Muskel war so steif vor Kälte, dass sie nicht einmal mehr den Kopf heben und über Finns schlaffe Ohren auf das endlose Weiß schauen konnte.
    Hier würde sie keine Ruhe finden. Keinen Unterschlupf, keinen Schutz vor dem Winter. Seit drei Tagen bewegte sie sich trotzdem vorwärts, denn sie wusste, dass es seit ihrem Aufbruch von den Höhlen kein Zurück mehr gab. Das Schicksal ihrer Familie und ihres ganzen Volkes lag jetzt in Ythas Händen. Oder in Maegerns. Teia hatte die Knochen geworfen und verloren. Nun blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als weiterzuziehen, hinein in den Schlund des Windes, und den kalten Sternen nach Osten zu folgen, die sie zum Reich geleiten würden.
    Wenn sie geschwiegen, ihre Ängste heruntergeschluckt und die pflichtbewusste Tochter gespielt hätte, könnte sie jetzt warm und gemütlich zwischen ihren Schlaffellen liegen und müsste nicht durch den Schnee ziehen, der ihrem Pferd bis zum Bauch reichte und dessen glasige Frostkruste die Haut wie eine Klinge durchschneiden konnte. Sie hätte ein Feuer, auf dem sie sich eine Suppe kochen könnte, und vielleicht hätte sie sich sogar auf eine Hochzeit freuen dürfen, die den Rang ihrer Familie und ihren eigenen so lange gesichert hätte, wie der Häuptling lebte. Doch stattdessen hatte sie nur diese Welt aus Schnee und offenem Himmel und Wind und tiefster Finsternis zum Gefährten.
    Finn hielt an. Teia sah nichts vor ihnen außer Schnee und den aufragenden Bergflanken, die noch schwärzer als die Nacht hinter ihnen waren. Sie drückte dem Tier die Waden gegen die Flanken, doch es wieherte und blieb stehen. Teia versuchte es noch einmal.
    »Weiter, Finn«, drängte sie. Sie konnte die Worte kaum aussprechen, denn ihre Wangen waren so steif vor Kälte. »Weiter.«
    Finn warf den Kopf herum und biss auf die Kandare. Seine Ohren zuckten hin und her, und er scharrte rastlos mit den Hufen im Schnee. Warum war er so widerspenstig? In ein paar Meilen würden sie so weit weg sein, dass Drwyns Späher sich nicht mehr die Mühe machen würden, die Verfolgung aufzunehmen, doch nun bockte dieses dumme Pferd. Wollte es etwa, dass sie geschnappt wurden? Man würde sie natürlich zu den Höhlen zurückschleppen, zu Drwyns Fäusten und Ythas Hass, und das durfte Teia nicht zulassen.
    Sie zwang ihre trägen Muskeln zur Bewegung und trat mit den Absätzen ihrer Stiefel in Finns Seite. Das Pferd scheute, und ihre tauben Finger verloren fast den Halt am Sattelhorn. Sie trat noch einmal zu. »Na los, du stures Biest!«
    Finn sprang nach vorn und stand plötzlich bis zum Brustkorb im Wasser. Eisstücke spritzten um ihn herum hoch, als er sich taumelnd und stolpernd weiter vorankämpfte, während die kalte Strömung unter dem Eis ihn herabzuziehen drohte. Teia schrie auf; sie spürte das Wasser in ihren Stiefeln und das Entsetzen in

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