Die wilde Jagd - Roman
durch.
»Die Richter werden Selsens Namen verlesen«, murmelte er. »Sie müssen es tun.«
»Ich glaube, sie werden ihm die Eichenblätter verleihen«, warf Festan ein. »Bei der Göttin, er hat sie verdient!«
Ich hoffe nur, dass der Preis nicht zu hoch war .
Minuten vergingen. Die Richter berieten nervenzerfetzend lange, bevor sie dem Herold endlich die Liste mit den Namen gaben.
Mitten auf dem Turnierplatz, wo ihn alle sehen konnten, verlas er: »Präzeptor, Älteste, Damen und Herren! An diesem Tag haben in Gegenwart der Heiligen Eador und anderer Zeugen die folgenden Personen ausreichende Waffenkunst bewiesen, um in den Stadt der Ritterschaft erhoben zu werden. Wenn es ihnen möglich ist, ersuchen wir diese Ritter und befehlen ihnen, sich unseren Blicken zu stellen und ihren Rang sowie die damit verbundenen Privilegien entgegenzunehmen.« Applaus brandete auf. »Berengir von Dun Riordain, tretet vor.«
Der junge Mann, der das grüne Band getragen hatte, grinste breit und nahm seinen Platz vor dem Richtertisch ein. Er hatte die Rüstung abgelegt und trug nun ein einfaches weißes Hemd sowie einen Übermantel. Es war die Kleidung, in der er die Vigil verbringen würde. Ein junger Mann nach dem anderen folgte ihm in alphabetischer Reihenfolge. Einige trugen Bandagen oder Schlingen, und Ansel bemerkte, dass er die Armlehnen immer fester packte, je mehr Namen verlesen wurden.
Sie müssen Selsen benennen. Sie müssen es .
»Selsen von Caer Amon, tretet vor.«
Der Göttin sei gedankt .
Aber Selsen erschien nicht. Er kam nicht von der Koppel herbei und auch nicht aus der Richtung des Krankenzeltes hinter dem Pavillon.
»Selsen von Caer Amon, tretet vor.«
Wenn ein Novize auch beim dritten Aufruf noch nicht erschien und keinen Vertreter schickte, würde seine Ritterwürde ein weiteres Jahr auf ihn warten müssen. Der Herold hielt kurz inne und forderte dann den neuen Ritter zum letzten Mal auf, sich zu zeigen.
Unruhe erhob sich aus der Richtung, in der das Krankenzelt lag. Einige Zuschauer wurden beiseitegeschoben, andere wichen zurück. Eine Gestalt in Weiß kam herbei; der eine Ärmel ihres Hemdes war leer. Als sie näher kam, erkannte Ansel den Umriss des reglosen Armes unter dem Hemd; vermutlich war er festgebunden, damit das Schultergelenk nicht bewegt wurde. Der Rand eines dicken Verbandes lugte unter dem Hemdkragen hervor.
Selsen war schneller als die Ärzte, die hinter ihm her liefen. Sein Gesicht war ganz blass, und das dunkelblonde Haar klebte ihm an der schweißnassen Stirn. Endlich standen alle benannten Novizen in einer Reihe vor den Richtern, und die letzte Zeremonie konnte beginnen.
Ansel war erleichterter, als er es sich je hätte vorstellen können, und kämpfte sich auf die Beine. Er schritt die Treppe hinunter und durch das Tor zum Richtertisch, auf dem Endirions Schwert auf einem weißen Samtkissen lag.
Es war stumpf und hatte Altersflecken, die kein Polieren mehr entfernen konnte, doch es war noch immer eine Furcht einflößende Waffe, länger sogar als Ansels eigenes Schwert. Er biss sich auf die Innenseite der Wange, damit er nicht unter den Schmerzen zusammenzuckte, die jede seiner Bewegungen begleiteten. Dann hob er das Schwert auf seinen offenen Handflächen hoch und wandte sich den jungen Rittern zu. Gleichzeitig fielen sie auf das eine Knie.
»Drei Tage hindurch habt ihr euch als würdig erwiesen, die Ehre der Ritterschaft zu erhalten«, sagte er. »Gereinigt sollt ihr von diesem Ort fortgehen und in der Sakristei die Stunden bis zur Morgendämmerung in Gebet und Betrachtung verbringen, sodass euer Geist ebenfalls in den Augen Eadors dieser Ehre würdig befunden wird.« Er packte das Schwert mit beiden Händen am Griff und hob es. »Für Eiche und Göttin, bis zum letzten Atemzug.«
Es war geschafft.
»Halt!« Hengfors’ Ruf ging beinahe in dem Chor der dreiundzwanzig Stimmen unter, die den Eid nachsprachen, doch der hochgewachsene Arzt, der nun ein wenig außer Atem an den Richtertisch trat, ließ sich nicht übersehen.
»Hengfors?«, fragte Ansel und senkte das Schwert, bis es mit der Spitze auf dem Grasboden ruhte. Es war so schwer, dass er es mit seinen verkrüppelten Händen nicht mehr lange hochhalten konnte.
»Der Novize Selsen ist ausgeschieden«, sagte der Arzt. Selsen warf den Richtern einen ängstlichen Blick zu.
»Aus welchem Grund? Selsen hat bereits den Eid abgelegt.« Erstaunlicherweise klang Ansels Stimme fest. Doch innerlich fühlte er sich wieder wie
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