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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ein kleiner Junge, der hoffte, dass etwas, was er fürchtete, nicht eintraf, wenn er es sich nur innig genug wünschte.
    Der Arzt streckte seinen drahtigen, erstaunlich behaarten Arm aus; seine Hemdsärmel waren noch bis zu den Ellbogen hochgerollt und mit Wasser besprenkelt. »Diese Person ist nicht berechtigt, Ritter zu werden.«
    Ansel wandte sich an die Richter. »Hat dieser Novize irgendetwas getan, was den Regeln des Ordens widerspricht?«
    Die drei Männer schüttelten den Kopf. Selenas, der Meister der Schwerter, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Hände vor dem Bauch und sagte: »Im Gegenteil. Selsen ist einer der fähigsten Novizen, die ich seit vielen Jahren gesehen habe. Wenn ihn die Göttin heute Nacht in der Kapelle nicht niederstreckt, kann ich keinen Grund erkennen, warum er nicht die Sporen erhalten soll.«
    Die blassen Augen des Arztes traten aus den Höhlen, doch Ansel hatte keine Ahnung, warum er so wütend war.
    »Also, Hengfors?«, meinte er. »Warum darf er kein Ritter werden? Weil er taub ist?«
    »Weil Selsen eine Frau ist!«

2 3
    »Hier steckst du also, im Garten der Frauen«, sagte N’ril.
    Gair hob sein Schwert und schaute sich um. Der Wüstenmann saß auf einer Bank vor der Brüstung und trug nur eine Pluderhose sowie weiche Stiefel. In seiner smaragdfarbenen Schärpe steckte ein Qatan. Eine rötliche Narbe glänzte auf seinem linken Unterarm. Neben ihm auf der Bank lag eine lange, flache Schachtel.
    »Sollte ich etwa nicht hier sein?«, fragte Gair und atmete schwer. Über ihm flatterte die Leinwand eines Baldachins in der Meeresbrise und zerrte an den eisernen Befestigungen wie ein schlecht gesetztes Segel. »Verzeih mir. Es gab keinen Ort auf dem Schiff, an dem ich meine Schwertübungen abhalten konnte.«
    »Du bist Gast in meinem Hause. Nutze es, wie du willst.«
    N`ril goss aus dem Krug, den Gair aus der Küche mitgebracht hatte, Wasser in einen Becher und hielt ihn Gair entgegen. Der stellte sein Schwert an der Wand ab und trank. Trotz der Brise und des Schattens unter dem Baldachin rann ihm der Schweiß über Brust und Rücken, denn es war unerträglich heiß, und er war ganz erschöpft.
    »Das hier ist ein Garten?«, fragte er und zeigte auf das Dach. Es war leer bis auf ein paar Bänke und einige glasierte Töpfe, die so aussahen, als sollten sie eigentlich Blumen oder Büsche enthalten.
    »Jetzt sieht es noch nicht so aus, aber wenn Gott will, wird meine Frau eines Tages mit ihrer Mutter und ihren Schwestern hier sitzen und unseren Kindern beim Spielen zusehen. Und dann wird hier alles in voller Blüte stehen.« N’ril lächelte, als er Gairs Miene bemerkte. »In Gimrael sitzen Männer und Frauen nicht zusammen.«
    »Ich verstehe«, sagte Gair, obwohl das nicht stimmte.
    »Dein Gesichtsausdruck verrät dich, mein Freund. Aber so ist es schon seit Tausenden von Jahren. Wenn Männer miteinander reden, dann unterhalten sie sich über Pferderennen und Geld, sie rauchen Chaba und pulen auf höchst unschickliche Weise in den Zähnen herum, und deshalb haben die Frauen ihren Garten, wo ihnen solche Anblicke erspart bleiben.« Er grinste. »Ich weiß nicht, worüber sich Frauen unterhalten, aber ich vermute, es geht oft um die unangenehmen Angewohnheiten der Männer.«
    Gair trank den Becher leer und füllte ihn erneut. »Daraus schließe ich, dass du nicht verheiratet bist.«
    »Ich wäre es fast gewesen«, sagte N’ril, »aber es bringt angeblich Unglück, eine Braut in ein Trauerhaus zu bringen. Ich hatte Geduld, ihre Mutter aber leider nicht.«
    »Es tut mir leid, das zu hören.«
    »Meine Mutter war noch enttäuschter als ich, das kann ich dir versichern. Als jüngerer Sohn und unbedeutender Spross des Hauses Feqqin bin ich kein besonders guter Fang.« N’ril zuckte die Schultern und wechselte das Thema. »Alderan hat mir verraten, dass du bei den suvaeonischen Rittern aufgewachsen bist. Hast du deine Schwertkünste dort erlernt?«
    Er öffnete die Schachtel neben ihm. Auf karmesinrotem Samt lag ein Qatan. Die schwarze Scheide war abgenutzt, aber der Griff war vor Kurzem erneuert worden; seine schwarzen und roten Muster waren frisch. »Hast du so einen schon einmal benutzt?«
    »Nein, noch nie.«
    Er hielt ihn Gair entgegen. »Versuch es.«
    Gair nahm das Schwert und zog es aus der Scheide. Es wog ungefähr zwei Pfund, vielleicht etwas weniger – höchstens die Hälfte seines Langschwertes. Die geschwungene Klinge, die nur an der einen Seite geschliffen

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