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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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scharfen Augen sah er sich in der Höhle um und erblickte Teia bei den Pferden. Er kam hinüber zu ihr und schüttelte sich den Schnee aus dem langen, eisengrauen Zopf.
    »Du musst Baer sein«, sagte sie.
    »Der bin ich.« Er stützte sich auf seinen Bogen und betrachtete sie eingehend vom bandagierten Kopf bis zum geschwollenen Bauch. Lange blieb sein Blick an ihrer Wange wegen der fehlenden Hochzeitstätowierung hängen. »Ich schlage vor, dass du nach Hause gehst, Mädchen. Das hier ist kein Leben für dich, egal, wovor du weggelaufen bist.«
    »Ich bin nicht weggelaufen.« Er schnaubte, und Teia platzte fast vor Zorn. »Ich bin eine Reisende. Ich ziehe nach Süden durch die Berge.«
    »Im Winter? Hast du dir überlegt, was du tun willst, wenn deine Vorräte aufgebraucht sind?«
    »Ich habe meinen eigenen Bogen. Ich kann genauso gut jagen wie jeder Mann«, sagte sie aufgebracht.
    »Mit diesem Bauch?« Baer lachte bellend. »Vielleicht nachdem du entbunden hast. Schluck deinen Stolz herunter, und geh zurück zu deiner Mutter, Mädchen. Wenn du es nicht für dich selbst tun willst, dann tu es wenigstens für das Baby.«
    Wütend richtete sich Teia zu ihrer vollen Größe auf. »Ich kann allein auf mich aufpassen. Ich gehe beim ersten Schein der Morgendämmerung; dann belästige ich euch wenigstens nicht mehr.«
    Sie drückte sich an ihm vorbei und ging auf ihre Taschen zu. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Lenna und ihr Mann die Köpfe zusammensteckten. Die Hände des Mädchens waren genauso beredt wie ihre Worte. Als Teia an ihnen vorbeiging, verstummten die beiden sofort und starrten sie an.
    Wie konnte er es wagen, über sie zu urteilen? Wie konnte er? Er wusste nichts über sie und hatte keine Ahnung von dem, was sie gesehen hatte.
    Sie kniete sich hin, leerte ihre Satteltaschen und schaute nach, was sie möglicherweise sonst noch verloren hatte, als ihr der Proviant weggenommen worden war, doch es schien alles noch da zu sein, auch wenn inzwischen eine große Unordnung unter ihren Sachen herrschte. Mit Wut im Bauch und pochendem Kopf machte sie sich daran, die Kleidung und die Decken zu falten und wieder in die Taschen zu stopfen. Nach wenigen Minuten hörte sie Schritte näher kommen, aber sie schaute nicht auf.
    »Ich bewundere dich, Mädchen«, sagte Baer hinter ihr. Sie beachtete ihn nicht und öffnete die zweite Satteltasche. »Nicht viele, die auf uns stoßen, sind so stolz.«
    »Mein Stolz ist alles, was mir geblieben ist«, fuhr sie ihn an. »Gib mir meinen Proviant zurück. Ich habe noch einen langen Weg vor mir.«
    »Du gehst nirgendwohin. Es ist mitten im Winter.«
    Sie warf ihr Wams aus Seehundfell auf den Boden, erhob sich und drehte sich zu ihm um. »Glaubst du etwa, ich weiß das nicht?«, schrie sie ihn an. Es gelang ihr nicht mehr, ihre Stimme zu mäßigen, obwohl die anderen sie inzwischen mit größerer Feindseligkeit ansahen. »Ich muss das tun, Baer. Mir ist kalt, und ich bin müde und habe keine Ahnung, wie weit ich reisen muss, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Bei Macha, du wirst mich nicht aufhalten. Gibst du mir jetzt meinen Proviant zurück, oder muss ich ihn euch stehlen?«
    Er sah sie starr an; sein Gesicht war wie aus Granit gemeißelt. Dann holte er aus und wollte ihr eine Ohrfeige versetzen. Sofort hatte Teia nach der rastlosen Magie in ihrem Innern gegriffen, und Baers Hand prallte von etwas Unsichtbarem, aber sehr Festem ab. Auch wenn er es angestrengt zu verbergen versuchte, erkannte sie, dass er vor Schmerz die Zähne zusammenbiss.
    »Es stimmt also«, sagte er und rieb sich die Hand.
    »Was stimmt?« Sie löste ihr Gewebe auf, kniete nieder und kümmerte sich wieder um ihr Gepäck.
    »Dass du die Gabe hast. Lenna hat Isaak erzählt, du hast unmittelbar vor ihren Augen ein Licht aus der bloßen Luft gemacht.«
    »Ich wollte ihr Gesicht deutlicher sehen, weil ich glaubte, ich könnte etwas tun, damit ihre Wunde besser verheilt.«
    »Du hast Ahnung vom Heilen?«
    »Ein wenig. Ich kenne Kräuter, die heilen, und solche, die schaden.«
    Er grunzte. »Keine der anderen Gruppen hat eine Sprecherin.«
    »Ich bin bloß eine Schülerin. Außerdem bleibe ich nicht hier.«
    »Deine Gabe wäre sehr wertvoll für uns.«
    »Und wie würdet ihr sie einsetzen? Zum Krieg gegen die anderen? Nein.« Sie schüttelte den Kopf und bedauerte es sofort, denn ihr wurde übel vor Schmerz. Sie drückte die Hände gegen den Bauch. Neves Suppe war ihr nicht gut bekommen.
    Baer hockte sich neben sie.

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