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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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beenden und nicht mehr in der Lage zu sein, mir den Hintern abzuwischen.«
    Danilar starrte ihn an. »Das ist grob, aber passend.« Er seufzte ungestüm und fuhr sich mit den dicken Fingern durchs Haar. »Also gut. Macht es, wie Ihr wollt. Aber erwartet nicht, dass ich über Eurem blutigen Leichnam den Segen spreche, wenn der Rat mit Euch fertig ist.«
    Ansel atmete tief ein, richtete sich auf und tastete unwillkürlich nach der Flasche mit Mohnsirup in seiner Tasche. Es war gut möglich, dass er jeden Tropfen davon brauchte, bevor der Tag zu Ende ging.
    »Du hast gewusst, dass es nicht einfach wird, Danilar. Ich habe es dir gesagt.«
    »Das habt Ihr, und ich habe Euch von Anfang an beigestanden. Ich kann nicht leugnen, dass ich Bedenken wegen der praktischen Durchführbarkeit dessen habe, was Ihr befürwortet, aber darüber können wir uns später streiten. Ich bin Euer Freund, Ansel. Ihr könnt auf mich zählen.«
    Ansel schaute Danilar beinahe zärtlich an. Er sah nicht den grauen Bären von einem Mann vor sich, sondern einen Jungen mit verschorften Knien in einer zu kurzen Novizenrobe, der mit ihm Äpfel in einem schon lange nicht mehr bestehenden Obstgarten gestohlen hatte. Er hatte gehofft, diesen Wörtersturm bis nach Selsens Weihe hinauszögern zu können, doch die Hoffnung allein hatte nicht ausgereicht. Die Schlacht war herangenaht, und nun musste er mit allen Waffen kämpfen, die ihm zur Verfügung standen.
    »Ein letzter Angriff, alter Freund?«, fragte er sanft. »Für die Eiche und die Göttin, bis zu unserem letzten Atemzug?«
    Danilar kniff entschlossen die Lippen zusammen, reckte die breiten Schultern und verhakte die Daumen in seinem Gürtel. Wenn er ein Schwert an der Hüfte trüge , dachte Ansel, würde er es jetzt ziehen .
    »Ein letzter Angriff«, sagte Danilar und nickte heftig.
    »Unmöglich!«, donnerte der Älteste Festan.
    »Es ist schon geschehen«, sagte Ansel.
    »Macht es rückgängig! Als Präzeptor habt Ihr die Macht dazu. Eine Frau kann nicht zum Ritter geschlagen werden. Mehr ist dazu nicht zu sagen.«
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich von den Bänken.
    »Warum nicht?«
    »Es ist nicht erlaubt!«
    Ein anderer Ältester sprang auf, ohne darauf zu warten, dass Festan das Wort weitergab. »Frauen haben keinen Platz auf dem Schlachtfeld, Präzeptor. Das solltet Ihr doch wissen – nach diesen Wüstenkriegen.«
    »Und was sollte der Grund dafür sein, Jago?«
    »Sie sind körperlich … ungeeignet für die Härten des Kampfes.«
    »Was habt Ihr gesagt?« Ansel machte sich über ihn lustig, indem er eine Hand wie eine Muschel an sein Ohr legte. »Sprecht lauter, Mann. Körperlich unterlegen?« Jemand schnaubte verächtlich. »Dann habe ich es mir also eingebildet, gesehen zu haben, dass Selsen beim Turnier drei Angriffe eines erfahrenen Ritters pariert hat?«
    Der Älteste Jago war aus der Fassung gebracht und versuchte es mit einem anderen Argument. »Die übrigen Novizen sind hintergangen worden. Sie hat mit ihnen fast zwei Monate lang im Schlafsaal gelebt und vorgegeben, etwas zu sein, was sie nicht war. Sie hat sich ihr Vertrauen erschlichen und sich in ihr Leben hineingedrängt. Wenn sie so getäuscht wurden, wie können wir da sicher sein, dass Hengfors nun recht hat?«
    Der dürre Arzt stand auf, räusperte sich und betrachtete den Protestierenden von oben herab. »Auch wenn ich Mitglied eines klausurierten Ordens bin, Ältester, bin ich doch zuerst und vor allem Arzt und kenne mich in Anatomie sehr gut aus. Der Patient, der gestern Nachmittag auf meinem Tisch lag, war eindeutig eine Frau.«
    »Wenn sie so unzweifelhaft eine Frau ist, wie konnte sie dann als Junge durchgehen – sowohl im Badehaus als auch im Umkleideraum?«
    »Es ist nicht schwierig, sich in diesen Dingen eine gewisse Privatsphäre einzurichten«, sagte Hengfors. »Ihr Körper ist durchtrainiert und muskulös, und ihre weiblichen Merkmale …« Bei deren Erwähnung errötete Jago. »… sind eher bescheiden ausgeprägt. Sie hat ihren Gang verändert und sich etwas um die Brust gebunden, und wir alle haben nur gesehen, was wir sehen wollten.«
    Hengfors legte die Robe um seine reiherartige Gestalt, als würde er seine Federn ordnen. Dann setzte er sich wieder ans Ende der Zeugenbank zu den rangniedrigsten Ältesten neben die Meister der Kampfkunst. Jago sackte auf seinen Sitz nieder. Sein Gesicht brannte bis zu dem Ansatz seiner aschgrauen Haare.
    Festan öffnete wieder den Mund, doch bevor er ein Wort sagen konnte,

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