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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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weinen!
    »Du hast gewusst, dass es schwierig wird. Berec, Denellin und Morwenna sind schon viele Jahre am Hof. Sie werden ihre Meinung nicht so leicht ändern.«
    »Sie sitzen schon so lange dort, dass sie versteinert sind«, erwiderte sie.
    »Wenn du ihnen ein wenig Zeit gibst und mit jedem Einzelnen sprichst, sobald sich die Lage ein wenig beruhigt hat …«
    Tanith schüttelte den Kopf. »Das würde zu lange dauern. Außerdem weigere ich mich, vor dem Hof im Staub zu kriechen und mich für ihre Unfähigkeit zu entschuldigen, das zu sehen, was ihnen bevorsteht.«
    »Tanith …«
    Sein tadelnder Tonfall führte dazu, dass sie herumwirbelte; ihr Zopf hüpfte von ihrer Schulter.
    »Nein, Papa! Sag mir nicht, dass ich grob war oder wie viele Hofregeln ich gebrochen habe. Ich musste es sagen, und ich musste es auf diese Weise sagen, weil ich keine andere kenne. Ich musste versuchen, ihnen die Bedrohung zu verdeutlichen, die Savin darstellt – nicht nur für Astolar oder das Reich, sondern für jeden, der auf dieser Welt lebt und ihre Luft atmet.« Tränen durchbrachen ihre Entschlossenheit, zitterten auf den Wimpern und wollten fallen. »Er gefährdet alle, Papa.«
    Der Großherr Elindorien schwieg und machte ein regloses Gesicht. Mit seinen lohfarbenen Augen schaute er über den See und in eine unerkennbare Ferne.
    Auf dem Wasser wurden die Schatten länger, und die Bäume wisperten in der Abendbrise.
    »Darf ich sie sehen?«, fragte er schließlich. »Die Verletzung, die du davongetragen hast?«
    Tanith rollte den Ärmel hoch und zeigte ihm ihren Unterarm. Da die Farben des Sonnenuntergangs die Röte der Narbe überlagerten, wirkte sie nicht ganz so hässlich, und nur sie selbst wusste, wie tief diese Wunde ging.
    Mit kühlen Fingern fuhr der Großherr Elindorien ihren Verlauf vom Ellbogen bis zum Handgelenk nach. »Sie ist nicht geheilt worden.«
    »Zu viele andere haben die Hilfe der Heiler dringender gebraucht, sodass sie ihre Zeit nicht auf mich verschwenden konnten.« Ich lüge meinen Vater an. O Geister, ist es schon so weit mit mir gekommen?
    »Wie ist es passiert?«
    Innerhalb eines Herzschlages stand sie wieder mit einem Langschwert in den Händen an der Brustwehr, und Gair breitete die Arme aus und übernahm allein den Schild, den zwei Dutzend Meister nicht mehr halten konnten. Wusste er eigentlich, was er an jenem Tag geschafft hatte? Wusste er, wie viele Leben er gerettet hatte?
    »Dämonen haben das Kapitelhaus angegriffen«, sagte sie. »Sie haben unseren Schild durchbrochen. Wir mussten gegen sie kämpfen, bis er wiederhergestellt war.« Sie zitterte; trotz des warmen Abends war ihr kalt. »Ich habe Menschen verteidigt, die sich selbst nicht mehr verteidigen konnten.«
    »Das hast du mir nie gesagt.«
    »Ich wollte nicht darüber reden.« Sie rollte den Ärmel wieder herunter und verdeckte die Narbe, auch wenn sie das, was diese Narbe bedeutete, niemals würde verdecken können. Zumindest nicht vor sich selbst. »Ich will es noch immer nicht.«
    »Das war sehr tapfer von dir.«
    »An jenem Tag war ich keineswegs die Tapferste. Ich habe Kinder gesehen, die sich gegenseitig mit Harken und Rechen aus dem Küchengarten verteidigt haben. Ich habe gesehen, wie eine Frau in Stücke gerissen wurde …« Sie verstummte, wandte sich ab, suchte einen anderen Anblick als jenen, der nun in ihrer Erinnerung aufstieg und ihre Augen zum Brennen brachte. O Gair, es tut mir so leid .
    Es folgte ein langes Schweigen. Die Sonne war hinter den Bergen über dem Wasserfall von Belaleithne versunken und verwandelte den See in Stahl, während der Nebel aus der Ferne herbeifloss und das Wasser wie ein Schleier bedeckte.
    »Muss ich dich erneut verlieren?«, fragte ihr Vater leise. »So bald nach deiner Rückkehr?«
    »Hier kann ich nichts mehr tun«, sagte sie. »Ich habe dem Hof die Gefahr aufgezeigt, in der wir schweben, und die anderen haben sich geweigert, sie zu sehen. Die Wächter tun, was sie können, und sie werden auch weiterhin kleine Risse im Schleier schließen, doch wir können ihn als Ganzes nur retten, wenn wir entweder Savin erwischen oder die Sternensaat finden, bevor er es tut.«
    »Wohin willst du gehen?«
    »Nach Mesarild, weil ich den Kaiser warnen möchte.«
    »Das sind über dreihundert Meilen.« Mehr als sechshundert nach der Zählung der Menschen, etwa fünfzehn Tage zu Pferde, wenn man vorsichtig ritt. Ihr Vater schnalzte mit der Zunge. »Tanith, bist du dir sicher?«
    »Ich werde durch Bregorin

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