Die wilde Jagd - Roman
Schrei zu Boden fiel. Blut spritzte auf den Schnee. Die Männer hinter ihm wurden unsicher. Einer oder zwei liefen weiter, aber einige machten das Zeichen des Schutzes und bewegten sich nicht mehr.
»Nehmt euren Anführer und geht.« Teia verspürte Übelkeit, aber ihre Stimme zitterte nicht. Finn scheute, als Baers Leute sich um ihn scharten. »Lasst diese Menschen in Ruhe, oder ihr werdet noch Schlimmeres erleben.«
Die Krieger senkten ihre Waffen, zogen sich aber nicht zurück. Der Tätowierte schrie vor Wut und Schmerz, bis zwei der Männer, die ihm am nächsten waren, herbeirannten, seinen Umhang packten und ihn darin zurück zu der Gruppe schleiften.
»Haut ab!«, schrie Baer und spannte seinen Bogen. »Na los, macht schon!«
Die Feinde wichen endlich auf dem Pfad zurück. Sie unterhielten sich leise miteinander und warfen immer wieder Blicke hinter sich. Verängstigte, müde Menschen drängten sich um Teias Pferd, hielten ihre Habseligkeiten fest und klammerten sich aneinander. Zwei Ponys jammerten, ein oder zwei Männer hatten blutige Risse in ihrer Kleidung und wurden von ängstlichen Frauen umsorgt, und Neve lachte trotz ihrer Angst, als sie Teias Hand drückte.
Baer drängte sich zu ihr vor, blieb an Finns Schulter stehen und stützte sich auf seinen Bogen. Sein versteinertes Gesicht zeigte nicht die geringste Regung. »Teia«, sagte er.
»Baer«, grüßte sie ihn ernst.
»Gibt es hier in der Gegend einen sicheren Unterschlupf? Wir haben einige Verwundete, um die wir uns kümmern müssen.«
»Hinter der nächsten Biegung ist ein Kiefernwäldchen. Dort könnt ihr euch niederlassen, und Brennholz gibt es auch.«
Er neigte ganz kurz den Kopf. »Danke.«
Dann schlang er sich seinen Bogen über die Schulter, ging den Pfad entlang und erteilte Befehle. Bald hatte jeder seine Aufgaben erhalten, und die Angst wich dem Willen zusammenzuarbeiten.
Teia wendete ihr Pferd und sah ihnen nach. Neve hatte recht gehabt. Baer war für diese Leute wirklich so etwas wie ein Häuptling. Und ich bin jetzt ihre Sprecherin?
Sie beobachtete, wie die andere Gruppe den Hang hinuntertrottete. Einige warfen unbehagliche Blicke auf das Licht, das Teia erschaffen hatte und das noch immer wie ein Vollmond über ihnen hing. Das schien bei ihnen einen noch tieferen Eindruck hinterlassen zu haben als der Speer im Oberschenkel ihres Anführers. Zweifellos waren sie an Verletzungen gewöhnt, aber eine aggressive Zurschaustellung der Gabe war etwas vollkommen anderes. Sie waren schon zu lange von ihren Clansprecherinnen getrennt. Ein grimmiges Lächeln hob ihre Mundwinkel, und sie wartete, bis alle Angreifer außer Sichtweite waren, bevor sie die Lichtkugel löschte.
Als Teia wieder bei ihrem Unterschlupf ankam, stellte sie fest, dass das Wäldchen bereits vor Geschäftigkeit summte, während die Luft schwer von Kiefernharz war. Baers Leute schnitten eifrig Brennholz, spannten Zelthäute zwischen den Stämmen und legten eine gemeinsame Feuerstelle an. Der kleine Steinkreis vor ihrem eigenen Unterschlupf war von Asche befreit, und frische Holzscheite waren in ihm aufgeschichtet; Teia musste sie nur noch entzünden. Sie sah sich nach Baer um, aber er steckte irgendwo in der Dunkelheit der Bäume und gab Befehle. Neve jedoch bemerkte sie und winkte ihr zu.
Müde schwang sich Teia von Finns Sattel und massierte sich den schmerzenden Rücken. Sie war vier Tage lang geritten, vor allem bergauf, nachdem sie den Fluss verlassen hatte, und diese Anstrengungen forderten nun ihren Tribut. Nach einigen Stunden spannte und verhärtete sich ihr Bauch jedes Mal und wurde so straff wie ein Trommelfell, und immer wieder hatte sie ihr Gewicht im Sattel verlagern oder absitzen und zu Fuß gehen müssen, bis er sich wieder entspannte. Nun fühlte er sich an, als sei er statt mit einem Kind mit Steinen gefüllt.
Jemand trat aus der Nacht heraus, nickte ihr zu und ergriff Finns Zügel. Sie war zu müde, um etwas dagegen einzuwenden. Als er das Pferd auf die geschützte Stelle zuführte, an der die Ponys angebunden waren, bemerkte sie, dass es Lennas Mann Isaak war. Seltsam. Sie schaute sich nach anderen bekannten Gesichtern um, doch auf der Lichtung herrschte zu große Geschäftigkeit, und das Licht zwischen den Bäumen war so schwach, dass sie kaum mehr als Umrisse sah.
Es war zu viel für sie. Sie kroch in ihren Unterschlupf, in die schwache Wärme ihrer Decken, und schloss die Augen. Am Morgen würde noch genug Zeit bleiben, um sich Sorgen zu
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