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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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einen zum anderen. »Woher soll ich wissen, ob das die Wahrheit ist? Ich habe bloß euer Wort, und der Vater der Lügen …« Die Schwester verstummte und sah Gair mit zusammengekniffenen Augen an. »Zeig mir dein Medaillon des heiligen Agostin.«
    »Das kann ich nicht. Ich habe es nicht mehr.« Der silberne Anhänger war schon lange weg; man hatte ihn Gair vom Hals gerissen, bevor er verurteilt worden war.
    »Alle, die von den Rittern ausgebildet wurden, sollten eines haben.« Die Stimme der Nonne wurde schrill vor Misstrauen.
    »Die Gefängniswachen haben es mir abgenommen, als ich verhaftet wurde. Ich habe es nie zurückbekommen.«
    Dieses Gespräch führte zu nichts. Gair war eine Beleidigung für alles, was die Schwester glaubte, und er konnte es nicht länger ertragen, einer unschuldigen Frau Todesangst einzujagen.
    Er stand auf und schulterte seine Satteltaschen. »Es war ein Fehler herzukommen, Alderan. Ich glaube, wir haben die Zeit der armen Schwester genug beansprucht.«
    Gair verbeugte sich formell vor der Nonne und ging auf die Tür zu. Er würde sich im Stall zu Shahe schlafen legen, bis der Sturm abgeflaut war, und dann entscheiden, ob er weiterhin Alderan helfen oder seinen juckenden Füßen gehorchen und zurück nach Norden gehen sollte.
    Zu seiner Überraschung rief die Nonne hinter ihm her: »Halt.«
    Er drehte sich halb um und sah, dass das Eichenamulett wieder vor ihrer Brust hing.
    »Ich darf nicht zulassen, dass du hier auf geweihtem Boden bleibst, aber als Quartiermeisterin darf ich dich auch nicht hinaus in den Sturm schicken. Du hast am Tor die Wahrheit gesagt: Das Haus der Göttin ist niemals verschlossen.« Dann seufzte sie und glättete ihr staubiges Habit. »Wir wollen nicht mehr darüber reden und zur Göttin beten, dass nichts davon an das Ohr der Superiorin dringt, denn sonst werde ich den Rest meiner Tage damit verbringen, Buße zu tun.«
    »Ist deine Superiorin …« Alderan suchte nach dem richtigen Wort.
    »Sie ist besorgt«, sagte die Nonne offen heraus und faltete die Hände. »Sie fürchtet um unsere Sicherheit in dieser Stadt, und sie fürchtet die Gegenwart von Fremden in unserer Mitte. Wenn uns nicht die passende Eskorte fehlen würde, hätte sie sich schon lange mit uns allen auf den Rückweg in das Kloster von Syfrien gemacht.«
    »Es gab eine Zeit, da keine Frau in einem Habit eine Eskorte brauchte, egal wohin sie ging – sowohl innerhalb des Reiches als auch außerhalb«, sagte Gair.
    Sie drehte sich zu ihm um und lächelte ihn traurig an. »Einst, Ritter, war unser Habit Schutz genug. Aber jetzt brauchen wir Stahl.«
    »Was ist denn mit der kaiserlichen Garnison?«
    »Die Soldaten sind vor zwei Wochen nach Westen geschickt worden. Anscheinend gibt es Schwierigkeiten an der Grenze zu Sardauki. Für uns sind keine übrig geblieben.« Sie blieb vor der Tür stehen und legte die Hand auf die Klinke. »Mein Name ist übrigens Schwester Sofi.«

3 0
    Teia erwachte mit einem Ruck. Sie hielt den Atem an und lauschte auf den Laut, der sie geweckt haben musste. Nichts. Sie hörte nur Finns Schnarchen und das Zischeln des Windes um ihren Unterschlupf aus Decken und Kiefernzweigen sowie das Hämmern ihres eigenen Herzens. Langsam stieß sie die Luft aus; silbrig trieb ihr Atem vor ihrem Gesicht.
    Was hatte sie geweckt? Sie legte sich eine der Decken um die Schultern, schlurfte zum Eingang des Unterschlupfs und schaute hinunter in das verschneite Tal. Zwischen den schwarzen Baumreihen sah sie keine Spuren außer ihren eigenen und denen von Finn. Tiefer im Innern des Waldes erkannte sie nichts als undeutliche Umrisse, und ihre Einbildungskraft bevölkerte die Schatten sofort mit lauernden Wölfen.
    Sie schluckte und beobachtete wieder die Bäume. Bevor sie hier ihr Lager aufgeschlagen hatte, hatte sie sorgfältig nach Spuren gesucht. Sie hatte keine größeren als die eines Hasen gefunden, aber das bedeutete nicht, dass sich nicht inzwischen ein Wolfsrudel herangeschlichen hatte, weil sie möglicherweise in das Territorium der Tiere eingedrungen war. Vielleicht würde sie wie Joren enden, der schon fast gestorben war, noch bevor er gewusst hatte, was mit ihm geschah. Ihr Herz schlug schneller, als sie nach dem Bogen griff.
    Dann hörte sie es erneut: das Sirren einer Bogensehne, diesmal gefolgt von einem erstickten Schrei weiter unten auf dem Pfad. In einer so klaren Nacht waren Geräusche sehr weit zu hören, aber wer griff da wen an? Und würden sie den Spuren im Schnee folgen und

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