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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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blinzelte überrascht. Was war das? Alderan war gerissen und geschickt darin, das Beste aus seinen Gaben zu machen – wie sonst hätte er seinen Schülern beibringen können, dass ein Dolch in der richtigen Hand sogar einem Breitschwert überlegen war? –, doch in einem Kampf, in dem nur rohe Kraft zählte, hätte er unterlegen sein müssen. Schlimmer noch, der Schlag, den Savin soeben ausgeteilt hatte, hätte Alderan zerschmettern sollen, doch das Gewebe war noch immer heil, und es wurde sogar noch heller. Fäden in neuen Farben leuchteten in ihm auf: lebhaftes Smaragdgrün und Gold, das so grell glänzte, als ob es frisch poliert wäre.
    Es musste dieser Junge sein. Irgendwie hatte dieser unausgebildete Knabe tiefer und weiter in den Sang hineingegriffen und seine Kraft dazu benutzt, das Gewebe so stark zu machen, wie es Alderan allein niemals möglich gewesen wäre. Nun wölbte sich das Gewebe hoch über dem bedrängten Schiff wie ein Brustpanzer aus Stahl und lenkte die Kraft des Sturms ab. Er bekämpfte die Winde nicht, sondern leitete sie geschickt um. Unter dem Gewebe schwärmten winzige Gestalten über die nassen Decks und an der Hauptrah entlang. Plötzlich knatterte ein Segel im Wind, und das Schiff kreuzte wieder nach Nordwest, weg von den Riffen. Die Winde, die Savin zu seiner Vernichtung geschickt hatte, trugen seinen alten Freund nun in Sicherheit.
    Was machst du hier, Savin? Alderans Stimme floss ruhig über dem Brüllen des Sturmes dahin.
    Es freut mich auch, dich zu sehen. Savin formte den Sang, bis die Winde heulten. Du hast keine Gewalt über mich, alter Mann. Ich kann kommen und gehen, wie es mir beliebt .
    Wie schade .
    Also bitte! Es gibt für dich keinen Grund, so zu reden. Wir kennen uns schließlich lange genug. Können wir nicht zivilisiert miteinander umgehen?
    Das haben wir hinter uns gelassen, als du Aileann umgebracht hast.
    Wirfst du mir das etwa immer noch vor? Savin schnalzte ungeduldig mit der Zunge. Vielleicht würde sie noch leben, wenn sie nicht versucht hätte, mir zu sagen, was ich tun soll.
    Sie war deine Mutter! , knurrte Alderan. Seine Farben zitterten vor unterdrückter Wut – oder vielleicht auch nur bedingt durch die Anstrengung, die eine Konversation über eine so große Entfernung für ihn bedeuten musste. Savin wusste es nicht, und es war ihm egal. Der alte Zorn loderte erneut in ihm auf.
    Dann hätte sie es eben besser wissen müssen , knurrte er zurück.
    Aber Alderan war nicht mehr da, und Savins Sturm war mangels Aufmerksamkeit, vom heißen Atem der Wüste getrieben, nach Norden abgedriftet. Ihn wieder unter Kontrolle zu bringen, würde genauso große Mühen kosten wie seine Entfachung, und bis es Savin endlich gelungen wäre, wäre das Schiff schon weit entfernt und segelte schneller davon, als er den Sturm hinter ihm herschicken konnte.
    Sonnenstrahlen durchbrachen die Wolken in der Schüssel, als sich das Schiff entfernte, und glitzerten auf dem Holz und dem nassen Tauwerk wie Elmsfeuer. Das Schiff war nun außerhalb seiner Reichweite, genau wie sein Feind.
    » Hjussvoten! «
    Er stieß die Schüssel von dem Dreifuß. Das Wasser spritzte in die Luft, und sie fiel auf die Steine. Bevor sie zur Ruhe kam, verpasste er ihr einen Tritt, der sie quer über das Dach des Turms beförderte. Mit einem Laut, der an eine geborstene Glocke erinnerte, prallte sie von der Brustwehr ab. Ein weiterer Tritt schickte den Dreifuß hinterher.
    Verflucht sei er!
    Savin kochte vor Wut. Er sah sich nach etwas um, woran er sein Mütchen kühlen konnte, doch das windumtoste Turmdach war leer.
    Der gewiefte alte Bastard soll zur Hölle fahren – und sein neuer Schüler gleich mit ihm!
    Ein Blitz zuckte vom einen Ende des Himmels zum anderen, die Wolken brodelten zur Antwort auf seinen Zorn, und am Fuße der Burg warf sich das Kaldsmirgen-Meer gegen die Felsen und schleuderte seine Gischt bis zu den zerfallenden Zinnen empor. Savin schmeckte das Salz im Regenwasser, spürte das Stechen in den Augen und heulte auf. Der Sturm antwortete ihm mit doppelter Lautstärke.
    An jeder Ecke des Turms hockten steinerne Ungetüme und grinsten hinaus in die Nacht. Savin sah sie finster an. Es waren scheußliche Dinger. Die abergläubischen Nordmänner meißelten sie sowohl als Wächter als auch als Warnungen, und ihre verschlagenen, wissenden Gesichter waren überall auf den Inseln anzutreffen: über jedem Tor, jedem Kamin und auf jedem Dach. Sie zupften sich an den Nasen und flüsterten sich etwas

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