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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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war so blass wie Molke geworden. Ihr Mund formte etwas, was vielleicht ein Gebet war.
    »Und jetzt«, sagte Savin und nahm einen Löffel vom Dessert, »fangen wir noch einmal von vorn an.«

5
    Drwyn hatte Teia für den Ritt zur Versammlung ein neues Pferd gegeben. Finn, ihr alter graubrauner Wallach, war, weil er nach Drwyn ausgetreten hatte, in den Gepäcktross verbannt und durch eine geduldige graue Stute ersetzt worden. Am fünften Tag der Reise begann Teia sie zu hassen. Sie war einfach zu gehorsam.
    Es besteht wohl nicht die Hoffnung, dass du dem Häuptling einen Tritt in den Hintern gibst, oder?
    Sogleich fühlte sie sich schuldig und klopfte ihrem Reittier auf den Hals. Es war nicht die Schuld der Grauen, dass sie nicht Finn war.
    Sie warf einen Seitenblick auf Drwyn. Zum Zeichen ihrer herausgehobenen Stellung ritt sie nun an seiner Seite, während ihre Familie mit dem Rest des Clans reiste. Er saß stolz auf seinem grobknochigen schwarzen Kriegspferd und trug gegen den kalten Wind einen dicken wollenen Umhang. Als er bemerkte, dass sie ihn ansah, lenkte er sein Pferd zu ihr hinüber, beugte sich im Sattel vor und drückte ihr einen groben Kuss auf die Lippen.
    »Hübsches Ding«, murmelte er und strich ihr mit dem Daumen über die Wange. Dann küsste er sie noch einmal heftig und steckte ihr dabei die Zunge in den Mund. Die Hitze in seinen Augen verriet ihr, dass er sie in dieser Nacht nehmen würde. Ihr gelang es zu lächeln, dann richtete sie ihren Blick wieder auf die niedlichen Haarbüschel an den Ohren der Stute und versuchte ein Gefühl der Übelkeit zu unterdrücken.
    Es waren erst acht Tage, aber es fühlte sich wie ein ganzes Jahr an. Sie lebte in Drwyns Zelt, machte ihm das Essen und wärmte sein Bett. Es wurde von ihr erwartet, sofort zu ihm zu kommen, wenn er nach ihr rief, und zu gehen, wenn er sie entließ; dazwischen musste sie alles tun, was er von ihr verlangte. Im Gegenzug sah er davon ab, sie zu schlagen, es sei denn, er war der Meinung, es müsse ihr eine Lektion erteilt werden. Er gab ihr immer noch gern Klapse und biss sie, wenn er mit ihr schlief, aber sie hatte inzwischen gelernt, sich nicht zu beschweren. Als sie es doch einmal getan hatte, hatte er ihr den Hintern mit seinem Gürtel ausgepeitscht, bis sie geblutet hatte, und nun tat sie so, als würde sie seine Vorlieben genießen. Es war kein hoher Preis, um weiteren Auspeitschungen zu entgehen. Die Reise zur Versammlung war auch ohne Striemen am Hintern anstrengend genug.
    Teia vergrub das Kinn im Fellkragen ihres Mantels. Der Winter war schnell gekommen. Die Ebene war trocken, der Boden hart gefroren, der Wind blies aus Norden, und morgens roch es nach Schnee. Der graue Himmel drückte wie ein dickes Vlies auf die Landschaft. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass je ein Sommer so kurz gewesen war und ein Winter so lang zu werden drohte.
    Gern hätte sie einen Blick in ihre Zukunft geworfen, aber Ytha ließ sie nicht aus den Augen. Seit jener Nacht am Fluss schien die Sprecherin misstrauisch zu sein, und nachdem sie die Verbindung mit Drwyn eingefädelt hatte, beobachtete sie deren Entwicklung aufmerksam. Wann immer sich die katzengrünen Augen der Sprecherin auf sie richteten, wollte Teia am liebsten aufschreien.
    Es gab so vieles, was sie wissen musste. Sie hatte noch nicht gelernt, ihre Gabe zu beherrschen und konkrete Antworten zu fordern; sie sah nur das, was das Wasser ihr zeigen wollte. Manchmal ängstigten sie diese Visionen, sogar die scheinbar einfachen wie die des Jungen mit dem Halsring des Häuptlings, und es machte sie unsicher, nicht einmal die Bedeutung des harmlosesten aller Bilder zu kennen.
    Das Letzte, was sie gesehen hatte, waren der Blick aus großer Höhe auf die Ebene und ihr eigenes blutiges Gesicht gewesen. Während der langen Nächte in Drwyns Zelt hatte sie herauszufinden versucht, was das bedeutete, und hatte in ihren Erinnerungen nach allem gesucht, was Ytha je über die Deutung von Träumen und Visionen gesagt hatte, doch der Wahrheit war sie dabei nicht nähergekommen. Blut konnte einen Streit bedeuten oder eine schwierige Entscheidung oder eine Beeinträchtigung der eigenen Bestrebungen, oder es bedeutete ganz konkret, dass jemand verletzt werden würde. Es war keine allgemeine Vision gewesen, sondern ihr eigenes Blut, auf ihrem eigenen Gesicht. Etwas würde ihr zustoßen, und sie wusste nicht, was es war.
    Gewitterwolken wogten am Himmel. Der Regen ließ Savins Hemd an seiner Haut kleben, und

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