Die wilde Jagd - Roman
vertraute Stimme, die ihnen Befehle erteilte, war alles, was die Nonnen brauchten. Sofort eilten sie davon. Die Superiorin beäugte die Glimme, die in dem gewölbten Korridor unter der Decke schwebten, dann richtete sie den Blick ihrer hellen Augen auf Gair.
»Und er besitzt noch andere Gaben, wie es scheint«, murmelte sie. »Wer bist du in Wirklichkeit, mein Sohn?«
»Bitte geht mit ihnen«, drängte er sie. »Sie haben Angst. Wir werden uns so schnell wie möglich zu euch gesellen.«
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
Dazu war keine Zeit! »Ich bin, was Ihr vor Euch seht, Superiorin – ein Sünder mit einem Schwert. Und jetzt beeilt Euch bitte!«
»Du überraschst mich«, sagte sie, »und ich bin schon sehr lange nicht mehr überrascht worden.« Sie neigte den Kopf, raffte ihren schwarzen Habit und eilte hinter den anderen Nonnen her.
Terz trat hinter Gair auf den Hof. Beide Pferde waren gesattelt und an einen Ring in der Wand neben der Tür zur Gästehalle gebunden. Alderan humpelte in seinem blutbefleckten Barouk heraus und hatte ein Bündel Kleidung in den Händen. Seine beiden Augen waren offen, wenn auch rot und blau, und die Schnitte und Schürfwunden im Gesicht verschorften allmählich. Getrocknetes Blut hatte deutliche Linien in den Falten seiner Haut hinterlassen und seine Haare verklebt. Statt an einen freundlichen alten Löwen erinnerte er nun an einen tätowierten Schamanen aus den belisthanischen Wäldern.
Er warf Gair die Kleidung zu. »Die gehört dir. Sind die Nonnen so weit?«
»Die Superiorin versammelt sie hinter der Kapelle.«
»Gut.« Ein mächtiger Schlag erschütterte das Tor, und die Menge brüllte Beifall. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Lauf nach oben und hilf Kanonikus mit den Büchern.«
Gair hatte seinen Barouk halb angelegt und starrte Alderan an. »Und was ist mit den Schwestern?«
Alderan schüttelte den Kopf. »Sie müssen den Weg nach draußen selbst finden. Wir haben keine Zeit, sie vor uns herzutreiben, wenn wir die Bücher mitnehmen wollen.«
Gair konnte nicht glauben, was er da hörte. »Meint Ihr das ernst? Ihr wollt die Frauen im Stich lassen?«
»Ich würde es nicht tun, wenn ich eine Wahl hätte, aber hier steht viel mehr auf dem Spiel.« Der alte Mann gab einen verzweifelten und zugleich ungeduldigen Laut von sich. »Die Schwestern haben viele Jahre hier gelebt. Sie kennen diese Stadt und werden es bestimmt schaffen – im Gegensatz zu den Büchern, wenn wir sie nicht in Sicherheit bringen.«
»Ihr wollt also die Frauen den Kultisten überlassen? Sollen diese Bastarde ihnen etwa die Zungen herausschneiden oder noch Schlimmeres mit ihnen veranstalten? Gütige Göttin, Alderan!« Gair zupfte sich den Barouk um die Schultern zurecht und warf sich den Kaif um den Hals. »Nein. Nicht, solange ich noch atme.«
Ein heißes Feuer brannte in ihm. Er wusste, was Alderan meinte. In diesen Büchern konnten Dinge stehen, die möglicherweise Tausende Leben retteten, doch das war eine abstrakte Größe, die nicht dieselbe Wirkung hatte wie die sehr reale Gefahr, denen sich die Schwestern gegenübersahen. Es war ihm unmöglich, sie einfach im Stich zu lassen, denn schließlich war er derjenige, der sie dieser Gefahr ausgesetzt hatte. Das roch zu sehr nach Feigheit.
Alderan runzelte die Stirn und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Gair, ich war der Meinung, du hättest es verstanden. Diese Bücher beinhalten möglicherweise das Wissen, das wir brauchen, um den Schleier zu erhalten. Wenn sie vernichtet werden …«
»Macht sie das wichtiger als das Leben der Schwestern?« Bei allen Engeln und Heiligen, dieser Mann war gefühllos. »Ich bin mit Euch hergekommen, weil Ihr mich darum gebeten habt, und ich habe Euch so gut wie möglich geholfen, aber das kann ich nicht. Das werde ich nicht. Ich habe diesen Schlamassel verursacht, und nun ist es meine Aufgabe, die Schwestern daraus zu befreien.«
Gair löste Shahes Zügel von dem Ring an der Wand und warf sie über den Kopf der Stute. Er hatte schon mehr als genug Zeit mit diesen Büchern verschwendet; er wollte ihnen keine einzige Sekunde mehr schenken.
Kanonikus kam aus dem Tochterhaus und trug einen Bücherstapel in den Armen, der ihm bis zum Kinn reichte. Seine Schwester lief zu ihm, und sie wechselten einige heftige Worte auf Gimraeli. Ihre Augen funkelten über dem Schleier, sie packte die Zügel des Grauen und eilte davon.
»Ich bin enttäuscht von dir, Gair.« Die Augen des alten Mannes waren hart
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