Die wilde Jagd - Roman
Dummkopf?«
Er schluckte eine scharfe Erwiderung herunter. »Dann geh und wecke schnell die Schwestern. Sag ihnen, sie sollen nur das Nötigste zusammenpacken.«
Sie kräuselte die Lippen. »Ich begleite meinen Bruder. Sollen ihre eigenen Soldaten sie doch beschützen.«
Verärgert fluchte er. »Sie haben keine Soldaten, Terz! Das sind heilige Jungfrauen. Was werden die Kultisten deiner Meinung nach wohl mit ihnen anstellen, wenn wir sie nicht von hier weg in Sicherheit bringen?«
»Wer hat denn heute Morgen vier Kultisten am Südtor abgeschlachtet? Heilige Jungfrauen? «, höhnte Terz. »Ich habe gehört, es seien drei Ritter gewesen, die auf dem Karren gesessen haben.«
»Es war nur ein Einziger«, sagte Alderan, der unbeholfen den Hals reckte, sodass er mit seinem guten Auge durch den schmalen Spalt zwischen den Fensterläden blicken konnte. Orangefarbener Fackelschein, der von der Straße jenseits der Mauer hereindrang, machte sein Gesicht zu einer unheimlichen Maske. »Er ist ein Idiot, der genug Ärger für drei macht.«
Zum ersten Mal schien Terz’ Überheblichkeit zu bröckeln. Sie starrte Gair erstaunt an. »Du?«
»Anscheinend«, sagte er. »Geh und weck die Schwestern. Es sind vierunddreißig, einschließlich der Superiorin. Sorge dafür, dass niemand übersehen wird.«
Sie lief davon, und er wandte sich Alderan zu. »Das ist alles meine Schuld. Wenn ich heute Morgen nicht mit ihnen nach draußen gegangen wäre …«
»… dann würden wir jetzt in derselben Lage stecken, aber du hättest zwei Nonnen auf dem Gewissen«, beendete der alte Mann den Satz für ihn, während er noch immer durch die Läden spähte. »Ich glaube nicht, dass du der Grund für all dies bist. Es wäre trotzdem passiert, und zwar sobald Resa ihnen gezeigt hätte, dass sie keine Angst vor ihnen hat. Allerdings hätte ich gern etwas mehr Zeit gehabt, die Bücher durchzusehen, denn ihretwegen haben wir schließlich die lange Reise unternommen.«
Er richtete sich auf und rieb sich mit dem Handrücken über die noch immer tropfende Nase. »Verdammt. Ich dachte, du wolltest meine Tasche holen.«
»Und ich habe gesagt, dass dazu keine Zeit mehr ist.«
Bevor Alderan etwas dagegen einwenden konnte, legte Gair die Hände um seinen Kopf und öffnete sich dem Sang. Strahlende Farben blitzten in seinem Kopf auf und durchspülten ihn und den alten Mann mit einer prachtvollen Musik. Nun war es zu spät, um vorsichtig zu sein.
Als er den Sang losließ, taumelte Alderan gegen die Wand und atmete schwer. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
»Heilige Mutter Göttin!«, keuchte er. »Du brauchst eindeutig mehr Übung. Das war brutal.«
»Dafür könnt Ihr jetzt auf beiden Augen sehen, oder?«, fuhr Gair ihn an und lief zur Treppe.
In seinem Zimmer steckte er einige seiner Habseligkeiten in die Satteltaschen, während eine eiskalte Vorahnung an ihm nagte. Bisher war nichts richtig gelaufen. Er schaute sich um und vergewisserte sich, dass er nichts Wichtiges übersehen hatte, dann kümmerte er sich um die Sachen des alten Mannes und trug ihr Gepäck hinunter in die Gästehalle.
Alderan schaute noch immer aus dem Fenster. Das Fackellicht draußen war heller geworden, und jemand hämmerte im Rhythmus des wütenden Gebrülls gegen das Tor.
»Früher oder später wird einer von ihnen herausfinden, welches das richtige Ende der Axt ist«, murmelte er. Vorsichtig betastete er seine geschwollene Nase. »Du hättest sie wenigstens richten können.«
Gair beachtete diese Beschwerde nicht. »Wo ist denn Kanonikus?«
»Ich habe gesehen, wie er die Pferde geholt hat.«
»Was ist mit Terz?«
»Sie ist noch nicht zurückgekommen.«
Blut und Steine! Das verdammte Mädchen war vermutlich seinem Bruder gefolgt und interessierte sich nur für seine eigene Haut. Gair sprang zur Tür.
»Ich finde sie, und dann treffen wir uns im Hof.«
Draußen hatte die anwachsende Zahl von Fackeln hinter der Mauer das klare Silberblau des Mondlichts vergiftet und zu einem schlammigen Braun gemacht, das dem Hof ein unvertrautes Aussehen verlieh. Schatten lauerten und sprangen auf, wenn sich die Fackeln bewegten und erschufen hundert Stellen zwischen den Nebengebäuden und Lagerräumen, an denen sich Kultisten verstecken könnten, wenn sie auf den Gedanken kämen, über die Mauer zu klettern, statt das Tor anzugreifen. Jeder schwere Schlag erschütterte es in seinem Rahmen.
Auf der anderen Seite des Hofes wurde die Stalltür geöffnet, und ein breiter werdender
Weitere Kostenlose Bücher