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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Schwertern auf Schilde.
    »Hörst du es jetzt auch?«, fragte er.
    Sie nickte und lauschte angestrengter. Etwas prallte von dem Megalithen neben ihrem Gesicht ab und hinterließ eine stechende kleine Spur auf ihrer Wange. Sie berührte die Stelle, und ihre Hand war blutig, als Tanith sie zurückzog. »Ich bin verwundet!«, rief sie.
    Sofort legte Ailric ihr die Hand auf die Wange. Einfache Heilkraft durchfuhr sie, und sie bekam eine Gänsehaut. Innerhalb weniger Sekunden war der Schnitt verschorft, und auch die wunde Stelle an ihrer Hüfte war verschwunden.
    »Danke«, sagte sie, zuckte aber zurück, als er in den Ausschnitt ihres Hemdes griff. »Was machst du da?«
    »Halte einen Moment lang still.«
    Er tastete unter ihrem Kragen herum, und seine Berührung beschwor weitere Erinnerungen herauf. Sie wollte sich von ihm losmachen, aber ein anderer, verräterischer Teil von ihr genoss diese plötzliche Intimität.
    »Da.« Er streckte die Hand vor ihr aus. Ein Steinsplitter lag auf seiner Handfläche, nicht größer als ein Daumennagel, aber so scharf wie eine Klinge.
    »Ich habe es gehört, aber ich habe nichts gesehen.« Tanith betastete die frisch verschorfte Stelle an ihrer Wange. »Woher kam der?«
    Ailric suchte nach etwas, was den Splitter losgeschlagen haben konnte. Als er weitere Rufe hörte, die näher und lauter als der Schlachtenlärm waren, drehte er sich um.
    Ein Mann brach durch das Unterholz auf der anderen Seite der Lichtung und rannte auf die Megalithen zu. In der einen Hand hielt er ein gezogenes Schwert, mit der anderen hielt er sich die Rippen fest. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch und befleckte sein kariertes Hemd. Sein rasselnder Atem und der verzweifelte Blick verrieten, dass er dem Ende nahe war.
    Bogensehnen sirrten, und er geriet ins Taumeln. Sein Schwert fiel zu Boden, dann ging auch der Mann nieder. Ein weiß gefiederter Pfeil ragte aus seinem Rücken hervor.
    »Sieh nur, es muss ein Pfeil gewesen sein.« Ailric deutete auf etwas am Boden, trat zwischen die Steine und verschwand.
    »Ailric!« Tanith sprang auf die Megalithen zu.
    Eine Hand legte sich um ihren Arm und hielt sie zurück. »Geh nicht hindurch«, sagte Owyn.
    »Aber er ist weg!«
    »Ich weiß. Ich habe es gesehen. Aber wenn du zwischen die Steine gehst, bist du ebenfalls verloren.«
    Tanith wand den Arm aus seinem Griff und bekämpfte ihren plötzlichen Tränenfluss mit Zorn. »Du hast gesagt, die Eicheln schützen uns davor, verloren zu gehen!«
    Der Waldbewohner seufzte. »Das sollten sie auch. Hat Ailric die seine bei sich gehabt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube schon.« Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und erinnerte sich. Am Abend hatte Ailric seine Jacke ausgezogen. Und jetzt am Morgen hatte er in seinem zerknitterten, fleckigen Hemd vor den Megalithen gestanden. »Nein.«
    Owyn machte ein grimmiges Gesicht. »Weißt du, wo sie ist?«
    Sie rannte hinüber zu der abgelegten Jacke und durchstöberte die Taschen, bis sich ihre Finger um etwas Kühles schlossen und sie die Eichel hervorzog.
    »Hast du die deine noch?« Sie befühlte ihre Tasche und nickte. »Gut. Bring ihm seine – und eine Waffe, falls ihr eine habt.«
    Rasch hob Tanith ihren Gürtel mit dem langen Messer auf und legte ihn sich um die Hüfte. Während der Sang bereits in ihr aufstieg, eilte sie zurück zu den Megalithen, wo Owyn gerade zwei Schlaufen in ein Seil band, das er aus seiner Satteltasche geholt hatte. Er legte die eine Schlaufe um das Gelenk seiner Hand und die andere um die ihre. Das Seil war etwa drei Ellen lang und erlaubte genug Freiraum für Bewegung und Verteidigung, falls diese nötig werden sollte.
    »Was immer du tust, halte das Seil fest. Ich kann dich zwar finden, falls wir getrennt werden sollten, aber es wäre nicht einfach. Bist du bereit?«
    »Wo befindet er sich, Owyn?«
    »Erklärungen müssen bis später warten. Wir gehen entweder jetzt oder gar nicht.«
    Mit diesen Worten trat er zwischen die Steine.

3 8
    Die Schwestern warteten bereits auf ihn, als Gair beim Leprosentor eintraf. Die Öffnung in der dicken Außenmauer hinter der Kapelle war so schmal und niedrig, dass Shahe nur knapp hindurchpassen würde. Eine der Nonnen hielt das hölzerne Tor einen Spaltbreit offen und beobachtete die Gasse dahinter aufmerksam. Die anderen drängten sich um die Superiorin und warfen hin und wieder ängstliche Blicke in Richtung des Haupttors, das zwar nun außer Sichtweite, aber noch nicht außer Hörweite

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