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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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die Arme um die Knie. Sie versuchte, nicht an das zu denken, was sie im See gesehen hatte, doch sie hätte eigentlich wissen müssen, dass der angestrengte Versuch, an etwas nicht zu denken, stets dazu führte, dass man an nichts anderes mehr denken konnte. In der Dunkelheit, in der nichts ihre Aufmerksamkeit beanspruchte, kehrten die Visionen zurück.
    Bilder des Grauens liefen vor ihrem inneren Auge ab, die auch beim zweiten Sehen nicht weniger lebhaft waren. Verwüstete Landschaften, blutleere Gesichter. Bewaffnete Auseinandersetzungen, die gewonnen oder verloren wurden; sie erkannte kaum den Unterschied. Es war ein einziges Schlachten, und nur die Raben hatten etwas davon. Teia kniff die Augen zu, aber es machte keinen Unterschied. Blut und Tod und Dunkelheit kamen zurück, und die Wilde Jagd fegte über die Ebene. Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf. Das Bellen feueräugiger Hunde, die von einem dunklen Jäger vorangetrieben wurden, ließ ihr die Seele gefrieren. Was blieb, war nichts als Zerstörung und die harschen Rufe der Galgenvögel.
    Weitere Schluchzer erschütterten sie, aber die Tränen wollten nicht kommen. Hinter ihren Lidern prickelte es heiß. Sie schlug die Hände vor das Gesicht, um die Visionen zu ersticken, aber sie zogen weiter an ihr vorbei. Albtraum um Albtraum, einer nach dem anderen.
    Am Ende lag sie erschöpft da und starrte die Öllampe in der Wandnische an. Die kleine Flamme tanzte bereits beim geringsten Luftzug, aber sie behauptete sich hell und tapfer gegen die drängenden Schatten. Die Wilde Jagd. Nun ergaben ihre Visionen einen Sinn. Die Hunde in ihrem Traum, der dunkle Jäger … O, mochte Macha sie schützen! Nun erkannte sie ihn. Oder vielmehr sie. Es war Maegern, die dunkle Göttin, die Bewahrerin der Toten. Und Ytha hatte sie beschworen.
    Wenn Teia aufrecht gestanden hätte, wäre sie nun zusammengebrochen. Ihre Knochen hätten das Gewicht der Erkenntnis, die sie nun überfiel, nicht mehr tragen können. Ytha und die anderen Sprecherinnen hatten Maegern heraufbeschworen, damit sie ihnen half, aber Teia hatte gesehen, wie ihre Hunde die Ebene gleich einem Feuersturm heimsuchten. Schon streckte die Göttin von ihrem Exil aus die blutige Hand aus. Ihre Macht würde noch wachsen, und sie würde sich nicht mit der Ebene zufriedengeben. Vernichtung würde den Spuren ihrer Hunde überallhin folgen.
    Teias Finger schlossen sich zuckend um die verwundete Handfläche. Ihr Magen verkrampfte sich vor Entsetzen. O Sprecherin, was hast du getan?

1 2
    Als sich das Jahr dem Ende zuneigte, festigte der Winter seinen Griff um die Berge. In den Höhlen, tief unter der Erde, spürten die Angehörigen des Clans die Todeskälte der Stürme nicht, die über ihnen dahinfegten. Es war eine gute Jagdsaison gewesen, und die Vorratskammern waren voll. Außerdem hatten sie genügend Futter für die Tiere. Solange die Enge die Leute nicht verrückt machte, war es eine recht angenehme Art, den Schnee auszusitzen.
    Aber für Teia herrschte auch hier drinnen Winter. Die Wilde Jagd würde entfesselt werden. Diesem Wissen konnte sie nicht entkommen, egal, was sie unternahm, und es hinterließ in ihrem Magen eine eisige Angst, die weder heiße Brühe noch Met zu vertreiben vermochten. Als die Tage in den Höhlen zu Wochen wurden, krochen die kalten Finger der Vorahnung immer wieder unerwartet an ihrem Rückgrat hoch, wenn sie ihren Pflichten nachging, oder sie strichen ihr durch den Kopf, wenn sie zitternd das Lager mit dem Häuptling teilte. Wenn es ihr gelang einzuschlafen, hörte sie die Hunde in ihren Träumen, und nun wurden sie von der dunklen Jägerin begleitet, die einen Schild mit einem starrenden Auge darauf und einen Helm trug, der vom Schlachtenrauch umwoben war.
    Die Wilde Jagd würde befreit sein, und sie würde die Welt mit ihrem Feuer versengen.
    Zu ihrer Überraschung ging Drwyn nun, da sich ihr Bauch rundete, sorgsamer mit ihr um. Er zügelte einige seiner Gelüste im Bett und gab ihr nach, wenn sie über einen schmerzenden Rücken klagte. Einmal hatte er sogar Harl statt ihrer losgeschickt, Brennholz und Schnee für Wasser zu holen, worüber der blonde Krieger so erbost war, dass er von nun an keine Wachen mehr von den anderen übernahm, sondern nur noch die eigenen schob.
    Und sie erhielt Geschenke. Wollstoffe und Stücke feinster Robbenhaut lagen plötzlich vor der Tür. Einige Frauen lächelten ihr zu, als sie in den Höhlen ihren Tätigkeiten nachging. Andere verzogen noch immer den

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