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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Wildnis, die von keinerlei Spuren durchzogen war. Die Schneestürme, durch die die Jäger vier Tage im Innern der Höhlen festgehalten worden waren, hatten die Landschaft verändert. Vertraute Landmarken waren verschwunden, und die Bäume an den Hängen waren so stark von den Schneemassen gebeugt, dass sie einer Gruppe alter Frauen glichen, die sich gegen die Kälte dick eingemummelt hatten. Der eisengraue Himmel spuckte noch immer kleine, dahinwirbelnde Schneeflocken aus, aber es war deutlich zu sehen, dass der Sturm vorüber war.
    Sie zog sich den Pelzkragen enger um den Hals und schaute über das Vorgebirge. Sie spürte die Kälte nicht und auch nicht das Prickeln der Schneeflocken auf ihrer Haut; sie war völlig betäubt, von innen heraus, und fühlte sich kalt wie Stein.
    Eine Weile später – sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war – hörte sie Schritte im Schnee hinter ihr; sie kamen näher. Erst als eine Hand ihren Arm berührte, drehte sie sich um.
    Ihr Vater stand dort; Besorgnis lag in seinem Blick. »Du solltest nach drinnen gehen«, sagte er.
    »Noch nicht, Papi.« So hatte sie ihn seit vielen Jahren nicht mehr genannt – nicht mehr, seit sie ein kleines Kind gewesen war. »Ich wollte wieder die Welt draußen sehen.«
    Da die Sonne hinter einer schweren Wolke verborgen war, kam das einzige Licht vom frischen Schnee selbst, der geisterhaft und rein schimmerte. Kein Schatten bedeckte ihn. Einige winzige Flocken wirbelten in einer Brise davon. Tief unter dem Schneetuch schlief die Ebene und träumte von ihrer Wiedergeburt.
    »Wunderschön, nicht wahr?«, meinte ihr Vater und trat neben sie. »Wunderschön, aber kalt.«
    Er sagte nicht, er sei froh, dass sie bald heiraten und er eines Tages den neuen Häuptling der Crainnh zu seinen Enkeln zählen würde. Er musste es nicht sagen. Dass er nun hier stand, sagte viel mehr, als Teir mit seinen sparsamen Worten je hätte ausdrücken können.
    Zaghaft umfasste er ihre Hüfte. Sie legte den Kopf an seine Schulter, und er drückte sie an sich. »Komm nach drinnen, mein Kleines. Die Kälte ist nicht gut für dich.«
    »Ich weiß. Es ist nur so, dass die Tage jetzt so kurz sind, und in der Höhle …« Sie verstummte und zuckte hilflos die Achseln. »Ich wünschte, der Winter wäre schon vorbei.«
    »Er wird es bald sein, Teisha. Ich verspreche es dir.« Er küsste sie auf die Stirn, und sie lächelte.
    »So hast du mich genannt, als ich noch ein kleines Mädchen war.«
    »Du bist noch immer mein kleines Mädchen. Egal, wie alt du wirst, du bist und bleibst meine Teisha.«
    Tränen drohten ihr in die Augen zu treten. Sie war zu müde, um sie wegzublinzeln. Schließlich tropften sie über ihre Wimpern und wurden zu einer regelrechten Flut. »Ich habe dich so sehr vermisst, Papi.«
    Teir zog sie noch enger an sich und hielt sie fest. Sie vergrub das Gesicht in seinem Wams und schluchzte hemmungslos, als sie seine Wärme und den starken, gleichmäßigen Schlag seines Herzens spürte.
    Immer war es ihr Vater gewesen, der die Ungeheuer der Kindheit verbannt hatte; ihre Mutter hatte das nie geschafft. Wenn Teia aus einem schlimmen Traum aufgewacht und Ana bei ihr gewesen war, hatte sie umso lauter geheult, bis Teir kam und wieder Sicherheit in ihre Welt brachte. Wie sehr sie sich wünschte, er könnte sie auch diesmal retten!
    »Ytha hat etwas Furchtbares getan.« Sie hatte die Worte gesprochen, ehe sie wusste, was sie sagte, und nun konnte Teia sie weder zurücknehmen noch diejenigen unterdrücken, die ihnen folgten. »Sie hat einen schrecklichen Fehler gemacht, und sie weiß es nicht einmal.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Als sie bei der Zusammenkunft Maegern beschworen hat, bin ich in das Weben des Zaubers hineingezogen worden. Ich habe gesehen, wie Ytha das Opfer dargebracht hat, und ich habe gehört, wie sie mit der dunklen Göttin verhandelt hat: Maegerns Freiheit im Tausch gegen ihre Hilfe.« Teia rang nach Luft und rieb sich die Augen mit dem Handrücken. »Sie wird die Wilde Jagd entfesseln, Papa, und sie begreift nicht, dass sie niemals in der Lage sein wird, diese zu beherrschen.«
    Teir fluchte leise. »Bist du sicher? Woher weißt du das?«
    »Ich habe es immer wieder in meinen Träumen gesehen. Ich höre die Hunde im Schlaf.«
    »Du besitzt die Gabe der Weissagung?«, fragte er.
    Hilflos hob sie die Hände. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich manchmal Dinge sehe, und einige von ihnen sind wahr geworden.«
    »Und der

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