Die wilde Jagd - Roman
Mund oder sprachen hinter vorgehaltener Hand miteinander, wenn Teia vorbeiging, aber nun schmerzte es nicht mehr so sehr. Die größte Freude jedoch bereitete es ihr, als ihre Mutter einen scheuen Gruß wagte, während ihr Vater zwar noch immer grimmig schwieg, aber ein wenig freundlicher blickte.
Doch all das wog die Angst nicht auf, die an den Rändern ihres Bewusstseins nagte. Die Hunde waren losgelassen. Manchmal jagten sie Teia durch die Höhlen und schnappten nach ihren Fersen; manchmal waren sie nur ein Heulen in der Ferne, das durch die Landschaft eines anderen Traumes hallte und sie im Schlaf erzittern ließ. Jedes Mal klang es ein wenig näher.
Wenn die Hunde losgelassen waren, würde die Jagd folgen. Mit jedem Tag, der verging, wurde die Gewissheit größer; es war, als würde Teia sich auftürmende Wolken über den Bergen betrachten und wissen, dass das Gewitter unweigerlich folgen musste.
Wie jede Frau, die ein Kind erwartete, opferte Teia jeden Tag Macha ein wenig Nahrung und bat die Mutter, der Geburt freundlich gesonnen zu sein. Nach den Mahlzeiten, wenn Drwyn nicht hinsah, bat sie auch Aedon, ihrer Familie Zuflucht zu gewähren, wenn der Sturm losbrach.
Ein weiterer Wahrsageversuch hätte vielleicht mehr Licht in ihre Zukunft gebracht, aber sie wagte es nicht, ihre Kraft zu benutzen, solange Ytha in der Nähe war. In den Höhlen konnte sie nirgendwohin gehen, ohne beobachtet zu werden – nicht einmal zu dem See, der zwischen den Berggipfeln lag. Es gab keinen Ort, von dem sie sicher sein konnte, dass die Sprecherin sie dort nicht finden würde. Außerdem erinnerte sie sich nur zu gut daran, was geschehen war, als sie zum letzten Mal den See aufgesucht hatte. Sie befürchtete, das Wasser könnte sich erinnern und reden.
Als der Winter voranschritt, nähte Teia Kinderkleidung, während ihr Bauch immer dicker wurde. Ihre zunehmende Rundheit erfreute Drwyn. Manchmal legte er die Hand auf ihren Bauch und lachte laut, wenn er die Bewegungen darin spürte. Er redete mit dem Sohn, den er sich vorstellte, und sang ihm sogar etwas vor. Schließlich bemerkte er auch die Fülle ihrer Brüste, die ihn noch mehr erfreute.
Ein weiterer Mond verging, und in der längsten Nacht des Jahres kam Ytha zu ihr, um sie noch einmal zu untersuchen. Diesmal tastete sie nicht Teias Inneres ab, sondern legte nur die Hand auf den gerundeten Bauch und schloss die Augen. Etwas zog an der Musik in ihr, und Teia hoffte von ganzem Herzen, dass das Kind ein Junge war. Es würde dem Häuptling gefallen, und wenn der Häuptling glücklich war, verbesserte dies das Los eines jeden Einzelnen im Clan. Vor allem aber ihr eigenes.
Das kitzelnde, ziehende Gefühl verschwand, und Ytha öffnete die Augen und sah Teia lange an. Teias Herz raste. Sie hatte plötzlich die schreckliche Befürchtung, dass das Ungeborene in ihr ein Mädchen war und ihr die Vision einen anderen, zukünftigen Sohn gezeigt hatte.
Plötzlich beugte sich Drwyn, der vor Ungeduld unruhig in der Höhle auf und ab gelaufen war, über die beiden. »Also?«, fragte er.
Ytha schürzte die Lippen und stand auf. »Es ist immer noch zu früh. In einem Monat werde ich mir sicher sein.«
Sie ging, und Drwyn folgte ihr zum Vorhang. »Du hast gesagt, du würdest es jetzt wissen«, zischte er.
Ytha warf einen raschen Blick hinüber zu Teia. »Nicht hier«, sagte sie und führte ihn nach draußen.
Teia hörte nur ihr Murmeln; es war unmöglich, einzelne Worte zu verstehen, aber sie wusste, dass die beiden über sie redeten. Sie berieten über Teias Schicksal und über das, was geschehen sollte, wenn das Kind ein Mädchen war. Teia stand auf und legte sich den Mantel um. Es konnte nicht schlimmer sein als das, was sie bereits gesehen hatte.
Als sie nach draußen in den Gang trat, zischte die Sprecherin Drwyn eine Warnung zu, und er verstummte. Teia spürte, wie die beiden hinter ihr hersahen, als sie sich auf den Weg zu einem der Höhlenausgänge machte. Sie unternahmen keinen Versuch, sie aufzuhalten.
Je höher Teia kam, desto kälter wurde es, und immer helleres Licht fiel von draußen herein. Hereingewehter Schnee überzog den Boden. Vorsichtig schritt Teia bis dorthin, wo sich der Gang zu einem gähnenden, offenen Schlund weitete. Hier lag der Schnee höher und reflektierte das trübe Licht von draußen, sodass diese Höhle nach der Dunkelheit des Ganges beinahe strahlend hell wirkte.
Von dem Vorsprung vor dem Höhleneingang aus schaute Teia hinunter auf eine weiße
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