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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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er und knüllte die Seide zusammen. Er schleuderte sie durch die Kabine, doch statt gegen die Schiffswand zu prallen, plusterte sie sich im Fluge auf und flatterte leicht wie ein Vogel auf die Planken.
    Von dort aus, wo er stand, waren die Flecken unsichtbar, doch er wusste, dass sie da waren. Selbst wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, das Gewebe zu reinigen und seinen Glanz wiederherzustellen, wäre das Hemd für ihn auf immer befleckt gewesen. Verdorben, unvollkommen. Er zeigte mit dem Finger darauf und rief Feuer herbei. Die Seide brannte mit zuckender, fast rauchloser Flamme und ließ nach weniger als einer Minute nur eine Handvoll geschwärzter Knöpfe und eine Rußschmiere auf den Bohlen zurück. Ein weiterer Gedanke zermahlte das Elfenbein der Knöpfe zu Staub und zerstreute es mit einem plötzlichen Windstoß.
    Die Kratzer an Savins Händen und Gelenken juckten, und er hielt sie gegen das Licht. Keiner war so tief, dass eine Narbe zurückbleiben würde. Der Junge war in Panik gewesen und hatte nicht kämpfen, sondern entkommen wollen. Savin nahm einen feuchten Waschlappen von dem Becken, das an der Querwand befestigt war, und rieb sich das getrocknete Blut ab.
    Und zu allem Überfluss hatte er nichts erfahren. Zwar hatte er ein paar unterhaltsame Informationen erhalten, wie zum Beispiel über die verkrüppelte Frau, aber nichts Nützliches über Corlainns Schatz oder den Ort, wo er versteckt war. Entweder hatte Alderan dem Jungen tatsächlich nichts verraten, oder …
    Unvermittelt hörte Savin auf, an seinen Schnittwunden zu reiben. Er runzelte die Stirn und bemerkte nicht, wie das Wasser von seinen Händen tropfte.
    … oder der Bastard hatte tatsächlich etwas gewusst, es aber vor Savin geheim gehalten.
    Eine Sekunde dachte er darüber nach, doch dann tat er diese Idee mit einem raschen Kopfschütteln ab. Das war unmöglich. Die Disziplin, die erforderlich war, um einer Geistplünderung standzuhalten, bedurfte vieler Jahre der Übung, und dieser Leahner war ein kaum ausgebildetes Tier, ganz Muskeln und keine Kontrolle. Sicher, er war beeindruckend stark, besaß aber weniger Geschick als Savin im Alter von fünf Jahren. Er war keine wirkliche Herausforderung und sicherlich keine Bedrohung.
    Savin dachte an die zerschmetterte, blutige Gestalt, die er jammernd im Schnee der Insel zurückgelassen hatte, und seine Lippen hoben sich zu einem Lächeln. Zumindest nicht mehr .
    Nein, die Antworten lagen im Kapitelhaus. Er warf den blutigen Waschlappen wieder in das Becken, zog seine Kleidertruhe unter der Koje hervor und nahm sich ein frisches Hemd. Bei seiner ausgedehnten Suche im Reich und jenseits desselben hatte er keinerlei Hinweise gefunden.
    Nun, das stimmte nicht ganz, aber die verbliebene Spur war schwach und versprach weniger Erfolg als das Kapitelhaus, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Bemühungen auf dieses zu konzentrieren. Er sollte die am niedrigsten hängende Frucht zuerst pflücken.
    Während er sein Hemd zuknöpfte, betrachtete er den mit einem niedrigen Geländer versehenen Tisch, der auf der gegenüberliegenden Seite der Kabine an den Bohlen festgeschraubt war. Mitten auf ihm stand der vom Samtstoff verdeckte Spiegel. Er hatte nichts gezeigt, seit Savin auf dem Schiff war. Es war ihm unangenehm, dieses verdammte Ding überallhin mitzunehmen, doch noch schlimmer war es, wie ein kleiner Schuljunge ausgeschimpft zu werden, wenn sich im Spiegel etwas regte und er nicht anwesend war.
    Die Hilfe der Verborgenen war bisher recht nützlich gewesen, aber sie brauchten ihn mehr als er sie, und ihre andauernden Fragen und launischen Ermahnungen waren ermüdend. Doch er würde sie nicht mehr lange ertragen müssen. Beim nächsten Dreimond würde er sich ihre Gefolgschaft sichern, und dann würde niemand es mehr wagen, ihm etwas vorzuschreiben.
    Duncan lehnte sich auf dem Stuhl zurück und bemühte sich, in der Wärme des Feuers nicht einzuschlafen. Nach so vielen Wochen im Sattel fühlte sich der einfache, mit Leder bezogene Stuhl so bequem wie ein Federbett an, doch er musste wach bleiben und seine Botschaft überbringen. Er konnte nur hoffen, dass der Diener des Häuptlings nicht beschlossen hatte, wieder zu Bett zu gehen und ihn hier sitzen zu lassen. Er hatte versucht, dem Mann die Dringlichkeit seines Besuchs klarzumachen, doch es war schon weit nach Mitternacht in dieser bitterkalten Winternacht, und niemand war erpicht darauf, den Häuptling nach dem Fest zu wecken, es sei denn,

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