Die wilde Jagd - Roman
für das Baby schneidern, wenn sie ihre anderen Pflichten erledigt hatte. Sie schüttelte das Kleidungsstück aus, drückte es zum Falten gegen sich und bemerkte wieder einmal, dass ihre Beine nur wenig kürzer als Drwyns waren.
Ihr Herz machte einen Sprung. Konnte sie vielleicht …
Vorsichtig hielt sie sich den Bund der Hose auf Nabelhöhe vor den Bauch und ließ die Hosenbeine herabhängen. Es passte ungefähr. Wenn Teia die Hosenbeine etwas enger machte, konnte sie den Riss verschwinden lassen und hatte noch genug Stoff, um einen Zwickel in den Schritt zu setzen und sie um die Hüfte ein wenig zu weiten … Und dieses Wams war zwar für einen Mann gemacht und zu breit in den Schultern, aber es würde sie warm halten und bot mehr als genug Platz für einen anschwellenden Bauch.
Ein Gefühl, das zum Teil pure Erregung und zum Teil nackte Angst war, brach über sie herein. Ihr wurde kalt, der Magen sackte ihr in die Kniekehlen, und ihr Herz raste. Es war möglich. Sie konnte es schaffen. Die Vorratskammern waren wohlgefüllt; sie konnte insgeheim Proviant beiseitelegen und zusätzliche Winterkleidung zusammenstellen. Kleidung wie diese, die Drwyn nicht einmal vermissen würde. Wenn sie Ytha davon überzeugen konnte, dass ihr Pakt mit der dunklen Göttin eine Narrheit war, dann war alles gut, aber wenn nicht … Dann würde sie gehen.
Bei Macha! Diese Idee verursachte ihr ein Schwindelgefühl. Sie versuchte nicht daran zu denken, dass sie dann ihre Familie verlassen musste, denn der Schmerz würde sie lähmen und es ihr unmöglich machen, sich Ytha entgegenzustellen, und dann würde der gesamte Clan darunter leiden müssen – und vielleicht auch alle anderen, falls die Wilde Jagd losging. Bilder der in Asche liegenden Ebene erfüllten ihre Gedanken, und sie erschauerte.
Nein. Sie hatte keine Zeit, darüber eingehend nachzudenken.
Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf das gute Wolltuch in ihren Händen. Nadeln. Sie brauchte Nadeln. Rasch durchstöberte sie ihr Nähzeug und fand das kleine Fellkissen, in dem die guten Nadeln steckten, die sie auf der Versammlung im letzten Jahr erworben hatte. Sie rollte ihren Rock hoch, schlüpfte in Drwyns Hose und machte sich daran, die neuen Nähte abzustecken.
Für den Rest des Tages schnitt und nähte sie und arbeitete fieberhaft, damit sie fertig war, wenn die Jäger – und ihr Häuptling – zurückkehrten. Am Ende waren ihre Fingerspitzen taub, aber sie hatte es geschafft. Sie zog die letzten Nadeln heraus und verstaute sie sorgfältig in ihrem Nähzeug. Dann probierte sie die Hose mit zitternden, müden Händen an.
Sie passte. Um die Knie herum und am Hintern war noch etwas Platz, was das Reiten angenehmer machte, und im Bund hatte sie zwei Handspannen zugegeben, damit ihr Babybauch noch weiter wachsen konnte.
Ja. Ich schaffe das .
Wieder wurde ihr die Ungeheuerlichkeit dessen, was sie plante, bewusst, und sie musste sich hinsetzen, damit die Knie nicht unter ihr nachgaben. Ihre Gedanken schossen in alle Richtungen wie Karnickel in Panik. Mochte Macha sie behüten. Sie wollte den Clan verlassen, wollte ihre Familie verlassen, und das mitten im Winter … Sicherlich hatte sie den Verstand verloren. Sie schloss die Augen und drückte die Handballen gegen sie. Genauso gut könnte sie einen Speer nehmen und den weißen Hirsch jagen – die Aussichten auf Erfolg waren dabei nicht größer.
Teia fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und presste die Hände gegen den Hinterkopf, als ob sie dadurch ein wenig Ordnung in ihre wirbelnden Gedanken bringen könnte. Ihr blieb nicht viel Zeit, sie durfte nicht zögern. Wenn etwas getan werden musste, dann am besten mit ganzer Kraft.
Angst und Hochgefühl machten sie gleichermaßen trunken. Sie zog die Hose aus, versteckte sie zusammen mit dem Wams auf dem Boden eines Korbes und bedeckte ihn mit einem Sack. Wenn sie ihn zu den Vorratskammern trug und mit einigen Nahrungsmitteln zurückkam, würde niemand, der sie zufällig sah, etwas ahnen. Solange sie nicht vergaß, wo sie die einzelnen Sachen versteckt hatte, und nicht zu viel nahm, damit nichts vermisst wurde …
Ich schaffe das. Ich weiß es .
Bevor sie den Mut verlieren konnte, stemmte sie den Korb in ihre Hüfte und machte sich auf zu den Vorratskammern. Auf dem Weg dorthin kam sie an der Räucherkammer vorbei, die von einigen Frauen für die Beute der Jäger vorbereitet wurde. Sie hielten inne, als Teia kam, und stützten sich auf ihre Besen. Ihre schwitzenden
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