Die wilde Jagd - Roman
fremdartige Gefühl verwirrte sie. Er sollte es zu Ende führen, solange noch Zeit dazu war.
Also grub er sich tiefer in die Muster. Er musste das Vergrabene finden. Vielleicht hatte Alderan einen neuen Kniff angewendet, oder es war eine uralte Fähigkeit, die er geheim gehalten hatte – etwas, was ihn befähigte, Dinge in den Falten eines lebenden Geistes zu verstecken. Savin kannte ihn gut, besser als jeder andere, aber das bedeutete nicht, dass der alte Bastard nicht etwas vor ihm verborgen hielt.
Alter Groll wallte erneut in ihm auf. Frischer Zorn umwogte seinen Geist wie ein Flammenmeer. Es war typisch. Der Wächter hatte schon immer versucht, seine Pläne zu durchkreuzen und ihn zu beherrschen. Savins früheste Erinnerungen bestanden aus Verboten. Von seinen Eltern und von seinen Lehrern, die stets versucht hatten, ihn zu etwas zu machen, was er nicht war, und die ihm nie erlaubt hatten, zu sein, was er war.
Er bewegte sich zurück durch die Erinnerungen des Jungen, fuhr an den Drehungen und Windungen entlang, hinein in das tiefste Herz des Gewebes. Hier waren die Bilder nicht so komplex und umgeben von einfacheren Gefühlen. Befriedigung darüber, gelernt zu haben, in einer Jolle an der zerklüfteten Küstenlinie entlangzusegeln. Schläfrige Zufriedenheit nach einem langen Tag voller Sonne und Seeluft. Noch immer nichts. Weiter hinten die kindlichen Freuden: eine Adlerfeder, ein Stein mit einem Loch darin, immer einfacher, je schmaler die Spirale wurde, bis zum ersten mühsamen Atemzug, zum Schlaf, zur gesegneten Finsternis und dem alles beherrschenden Rhythmus des mütterlichen Pulsschlags.
Gar nichts.
Nicht ein Wort, nicht die kleinste Wissenskrume über die Sternensaat. Unmöglich.
Savin fluchte bösartig und bewegte sich durch die nebeligen Schichten der Kindheit zurück in die kristalline Schärfe der Gegenwart.
Wo ist der Schlüssel? Du kannst ihn vor mir nicht verstecken, Junge!
Er fuhr mit den Krallen in den lebendigen Geist, der unter seinem Willen festgenagelt lag, und hinterließ helle Striemen des Schmerzes auf dessen Oberfläche.
Wo ist er?
Ein weiterer Klauenschlag und noch einer. Farben flackerten auf und verdämmerten wieder. Der Junge wusste etwas; er musste etwas wissen. Die Kirche, seine Gabe – es existierte da eine Verbindung; es musste eine existieren! All diese sorgfältigen Planungen …
Du musst es wissen! Sag es mir! SAG ES MIR! , brüllte er enttäuscht. SAG ES MIR!
Wieder keine Antwort. Nur leises, hilfloses Schluchzen. Armselig. Das war Alderans große Hoffnung für den Orden des Schleiers?
Dieses wimmernde Zerrbild von einem Schüler ist alles, was du hast, alter Mann?
Wut flackerte glutrot hinter Savins Augen auf und loderte in seinen Eingeweiden. Bei allen sieben Königreichen, er würde sich nicht auf diese Weise zum Narren halten lassen! Er griff in seine eigene Kraft hinein, in die dunkle und gewundene Krypta des Sangs, den zu entfesseln ihn das Verborgene Königreich gelehrt hatte, und wob seine ledrigen Stränge zusammen.
Wenn Alderan glaubte, dieser kleine Leahner sei die Zukunft seines mickrigen Restordens, dann würde er eine bittere Enttäuschung erleben.
Die Dämonensaat nahm unter seinem Willen Gestalt an. Die Anweisungen zu ihrer Herstellung knisterten durch seine Gedanken wie Frost auf toten Blättern; die schrecklichen Silben ertönten in Stimmen, die kälter waren als eine Winternacht. Gut, gut. Fast war er fertig.
Die Leopardengestalt um ihn herum zuckte. Er verlor die Kontrolle über sie, aber es war ihm egal. Sie hatte seinen Zwecken gedient, also ließ er ihren Sang los und spürte das unangenehme Zurückgleiten von Muskeln und Sehnen und Knochen in menschliche Gestalt.
Die Saat war gesät. Auch in ruhendem Zustand strömte sie ein bösartiges Selbstbewusstsein aus, als könnte diese öde Schale jederzeit aufbrechen und die beiden Hälften sich öffnen wie ein Auge. Und genau das würden sie in gewisser Weise bald tun. Sobald der Dämon ausgewachsen war, würde Savin in der Lage sein, alles zu sehen, was sein Wirtskörper wahrnahm.
So leicht, wie er eine Blume in ein Grab warf, senkte er den Dämon in den verwüsteten Geist des Jungen.
Und wenn dein kostbarer Orden in den Flammen untergeht, Alderan, werde ich dabei zusehen und lachen .
Die Eisiges Sternenlicht trieb in den tieferen Gewässern vor der nördlichsten der Fünf Schwestern und hatte sich in den Wind gedreht. Die Leinwand flatterte und knallte mürrisch, und der mit einem
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