Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne

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Drachen verzierte Bug hob und senkte sich in der Dünung, als ob er enttäuscht sei. Krieger in Wollstoffen und Pelzen standen auf dem Achterdeck; die eine Hälfte sah den Seeleuten bei der Arbeit zu, während die andere Hälfte nach Süden über die bleiernen Wellen zu den bewohnten Inseln schaute. Nervös befingerten die Krieger ihre Äxte.
    Sie waren auf Raubzug aus, zweifellos, doch das waren die Nordmänner immer. Kämpfen, Huren und Feiern war alles, wozu und worin sie gut waren. Sie hatten keine Kultur, die der Rede wert gewesen wäre: Ihre Musik bestand aus Trinkliedern, ihre Dichtkunst aus schwülstigen, holperigen Sagas über endloses Hauen und Stechen. Und was ihr Theater anging, so besaßen sie keines, das diesen Namen verdient hätte, es sei denn, man zählte den festtäglichen Mummenschanz zur Erheiterung ihrer Brut dazu.
    Im Flug wanderten Savins Gedanken ein wenig reumütig zurück zur sonnenverwöhnten Gartenstadt Aqqad mit ihren Springbrunnen in den Höfen, ihrer städtischen Philosophie und Kultiviertheit und, nicht zu vergessen, den geschminkten, athletischen Najjir , neben denen die Frauen des Nordens wie blasse Talgklumpen wirkten. Er versuchte einen Schauder zu unterdrücken. Es hatte keinen Sinn, daran zu denken. Sobald er die Sternensaat gefunden und die Königreiche vereinigt hatte, konnte er sich nach Aqqad zurückziehen und den Rest seiner Tage in einer Wolke aus Mezzin -Dunst verbringen, doch bis dahin musste er hierbleiben, wo der Schleier so dünn war, und sich der Primitiven bedienen, die diese Region beherrschten, so abscheulich das auch sein mochte.
    Er flog in einem engen Kreis um den Mast und kreischte, bis endlich jemand auf dem Achterdeck hochschaute und auf ihn zeigte. Nun wandten sich auch andere Gesichter himmelwärts, darunter auch das dieser brütenden Felsklippe in menschlicher Kleidung, die auf den Namen Jaldur hörte und diese Kriegsschar kommandierte. Der gewaltige Nordmann bellte ein paar gutturale Worte und winkte den Rest seiner Männer beiseite, damit sie Platz machten. Savin faltete seine Wanderfalkenflügel zusammen, sank wie ein Stein und spreizte sie im letzten Augenblick, um den Fall abzubremsen. Dann ließ er den Sang los und trat so beiläufig aus der verschwommenen Luft auf die geschrubbten Planken, als käme er soeben von einem Spaziergang zurück.
    Jaldur neigte das verfilzte rote Dickicht aus Zöpfen und Strähnen, das allgemein als sein Kopf angesehen wurde. »Mein Herr.«
    Seine blassblauen Augen waren ausdruckslos, doch hinter ihm machten einige abergläubische Männer Zeichen des Schutzes. Savin sah sie nur so lange an, bis sie bemerkten, dass er sie wahrgenommen hatte. Es schadete nichts, sie in Angst zu halten.
    »Ihr müsst diese Gewässer verlassen«, sagte er in der gemeinsamen Sprache. »Der Kapitän soll einen Kurs segeln, der uns zu den anderen führt.«
    »Wir brechen auf?«, fragte Jaldur mit umwölkter Miene. »Aber wir gehen auf Raubzug, ja?«
    Savin nickte. »Sehr bald.«
    »Ha!« Jaldur strahlte und warf seinen Männern einige Worte in ihrer eigenen Sprache zu. Ein Wald von Waffen wurde unter heiseren Jubelrufen in die Luft gestoßen. Der zottelmähnige Anführer grinste und schüttelte die Faust. Dann runzelte er die Stirn und zeigte mit seiner behaarten Pranke auf Savins Arm. »Du blutest.«
    Savin schaute nach unten. Sein goldenes Hemd war an den Ärmeln mit Salz und Blut befleckt. Es war ruiniert.
    »Deine Hände, siehst du?«, polterte Jaldur weiter, doch Savin hörte ihn kaum mehr und beachtete erst recht nicht die tiefen Kratzer an seinen Handgelenken und Händen, die schwarz vor geronnenem Blut waren. Eines seiner Lieblingshemden war ruiniert .
    Er wich vor der unbeholfenen Besorgnis des Nordmannes zurück und ging zur Leiter, die zum Unterdeck führte. Er ging nach hinten zur Achterkabine, die nur Schiffe von der Größe und Bedeutung der Eisiges Sternenlicht besaßen. Er schlug die Sturmtür hinter sich zu und entzündete mit einer Handbewegung die Dochte in den Lampen, die von den Deckenbalken herabhingen.
    Unerträglich.
    Savin knirschte mit den Zähnen. Feinste Sardauki-Seide, deren Ballen mehr Gold kosteten, als sich dieses Gossenkind von Leahner je vorstellen konnte, und es war vollkommen verdorben.
    Das war ganz und gar unerträglich. Savin zog sich das Hemd über den Kopf, konnte es nicht länger auf der Haut ertragen.
    »Bei den sieben Königreichen, ich hätte mir aus seiner Haut ein neues Hemd nähen sollen«, knurrte