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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Fall gibt es einen Zeugen.«
    »Also Silbermann«, entgegnete Panetzky. »Sie haben mit ihm gesprochen?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Gestern.«
    »Jetzt bluffen Sie, junger Freund.«
    »Meinen Sie?« fragte Martin.
    Er klopfte an die Wand des Nebenzimmers. Schritte schlurften über den Gang. Die Tür wurde geöffnet.
    Egon Silbermann erschien mit einem unsicheren Lächeln, mit Augen, die den entsetzten Panetzky gleichzeitig anklagten und ihm auswichen.
    »Aber«, sagte Martin, »sprechen Sie doch selbst mit ihm, Panetzky.«
    Sübermann sagte kein Wort. Er blieb zwischen den beiden Männern wie gelähmt stehen, spürend, daß er bei keinem von ihnen jemals Erbarmen fände – und so wirkte er erleichtert, als ihm Martin mit einem Wink bedeutete, daß er sich wieder entfernen solle.
    Panetzky ging den Akt durch, las und wußte, daß die Vergangenheit unerwartet nach ihm gegriffen hatte. Zwar würde auf seine Anzeige die Polizei diesen erpresserischen Besucher aus Deutschland verhaften, aber der Skandal müßte ihn einer peinlichen Untersuchung aussetzen, die mit Sicherheit seine Gastrolle in Zürich beenden und seine Ausweisung aus der Schweiz bedeuten würde. Er erfaßte, daß er dem brutalen Gast ausgeliefert war, dem der alte Ritt – entgegen der Vereinbarung – eine scharfe Waffe hinterlassen hatte, die noch aus einer Zeit stammte, in der Panetzky an Hitlers Sieg geglaubt hatte.
    »So sieht das also aus«, sagte er schließlich. »Alle Achtung, wie Sie das eingefädelt haben …« In seinem Gesicht trafen sich Zorn und Angst, aber beide Regungen wurden vom Verstand beherrscht. »Also werde ich mich wohl mit Ihnen einigen müssen.«
    »Gut, daß Sie so rasch begreifen!«
    »Ich könnte natürlich kämpfen …«
    »Ich auch«, versetzte Martin.
    »Aber ich ziehe Kompromisse vor.« Er sah Martin prüfend an, der ihm nicht antwortete. Panetzky war bereit, zu zahlen, was nötig war, aber nicht einen Franken mehr, noch immer Geschäftsmann, wenn auch in Nöten:
    »Wieviel also?«
    »Alles.«
    »Seien Sie vernünftig. Ich sprach von einem Kompromiß.«
    Martin schwieg, und Panetzky begriff, daß mit dem jungen Ritt nicht zu handeln war.
    »Wissen Sie, was Sie sind?« fragte er.
    »Der würdige Sohn meines Vaters?« zitierte Martin gelassen.
    »Ein Schwein!«
    »Besser als ein Mörder«, erwiderte Martin.
    »Wann wollen Sie das Geld?«
    »Unverzüglich.«
    »Gut«, sagte Panetzky und stand behende auf. »Kommen Sie morgen um neun Uhr in mein Büro – und denken Sie sich inzwischen aus, welche Sicherheit Sie mir gegen weitere Erpressungen bieten können.«
    Er sprach ruhig und ging mit sicheren Schritten an die Tür, ein geachteter, erfolgreicher Geschäftsmann aus der City, im dunklen Anzug und mit weißem Hemd.

XVII
    Felix Lessing erholte sich rasch im Militärlazarett; der Kopfverband konnte ihm abgenommen werden, sein verletztes Auge sah nicht mehr so martialisch aus, die Gesichtshaut war wieder durchblutet, der trübe, teilnahmslose Blick verlor sich, die Pupillen wurden wieder langsam weiß, und die letzte Gewichtskontrolle hatte erneut eine leichte Zunahme ergeben.
    Der Captain war ruhig und geduldig, hörte Nachrichten, ließ sich Zeitungen kommen, überwand die Lethargie und arbeitete mit Billigung des Chefarztes Captain Snyder täglich ein paar Stunden.
    Am Nachmittag kam Susanne, und nicht nur Felix wartete auf sie. Der Gärtner lächelte sie an, die Posten am Portal nickten ihr zu, der Pförtner rief ihr ein freundliches Wort nach, Rekonvaleszenten standen an den Fenstern und freuten sich über das hübsche Mädchen, das Heiterkeit zum bunten Sommerkleid und Zärtlichkeit zu hellen leuchtenden Augen trug. Selbst die Nurses, amerikanische Krankenpflegerinnen, die sonst wenig Freude am Besuch deutscher Mädchen im Hospital hatten, mochten Susanne. Soviel Zuneigung beeindruckte und beunruhigte Felix und steigerte seinen Willen, die Krankheit zu überwinden, um ein Versprechen einzulösen, das er dem Mädchen noch nicht gegeben hatte.
    »Du bist heute besonders hübsch frisiert«, sagte er.
    »Und du bist heute besonders lieb«, entgegnete sie, »ich habe schon gehört, was du für ein Musterpatient bist.« Man sah ihr an, wie sehr es sie freute: ein Mädchen, das dem Leben dankbar war für einen Mann, den ihre Eltern nicht billigten, den ihre Verwandten nicht mochten, den die Nachbarn als eine Verfehlung werteten und der Arzt als einen beinahe hoffnungslosen Fall bezeichnete.
    Wie zufällig kam Dr. Snyder in

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