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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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erhalten Sie von mir.«
    »Wieviel?« fragte Martin.
    »Was meinen Sie, junger Freund?«
    »Was meinen Sie?«
    »Sprechen wir nicht hier«, entgegnete Panetzky.
    »Gut«, erwiderte Martin, »gehen wir in mein Hotel.« Es lag in der Nähe, bezeichnete sich als Haus zweiten Ranges und war drittklassig. »Wenn Sie wieder nach Zürich kommen«, sagte der freundliche Gönner, »wohnen Sie selbstverständlich bei mir.«
    »Zurück zu Kahns!« entgegnete Martin; er sprach ohne Schärfe, aber Panetzky hatte die Betonung mißfallen.
    Eigentlich sei es eine schreckliche Geschichte, begann er, es gebe Menschen, die dem Unglück einfach nicht entgehen könnten, wie diese Kahns, die dem sicheren Tod in Deutschland entronnen seien, um im Atlantik umzukommen. Er sei ihnen an die Grenze entgegengereist, habe sie gut untergebracht, ihnen Durchgangsvisa besorgt, habe seine Beziehungen zu amerikanischen und britischen Dienststellen ausgenutzt, um den drei Kahns nach Lissabon weiterzuhelfen.
    »Wieso drei?« unterbrach Martin. »Ich kannte vier.«
    »Nur Vater, Mutter und Tochter«, antwortete Panetzky, »der Sohn ist – glaube ich …« Er griff an: »Aber Sie sind doch Deutscher – Sie sollten doch viel besser wissen, was bei Ihnen mit den Juden geschehen ist …«
    »Gewiß«, versetzte Martin, »Jakob Kahn wurde ermordet – auf Vorschlag eines Mannes aus Zürich, der als Doppelagent besondere Verbindungen auch zur Prinz-Albrecht-Straße hatte.«
    »So etwas ist leider vorgekommen«, erwiderte Panetzky, »kennen Sie seinen Namen?«
    »Silbermann kennt ihn.«
    »Was? Silbermann gibt’s auch noch?«
    »Ja.«
    »Die Amerikaner haben ihn nicht an die Polen …?«
    »Nein.«
    »Verstehen Sie das?«
    »Ja.«
    »Dann erklären Sie's mir bitte«, sagte Panetzky mit dem Gesicht eines Mannes, der entschlossen ist, sich nicht verärgern zu lassen.
    »Vielleicht braucht man ihn noch als Zeugen«, entgegnete Martin, »vielleicht besteht eine Chance, den unbekannten Agenten in der Schweiz – keinen Eidgenossen übrigens, sondern einen Staatenlosen – zu finden.«
    »Das leuchtet mir ein«, sagte Panetzky.
    Er stand auf, lief in dem kleinen Hotelzimmer hin und her. Sein gedrungener Körper bewegte sich zierlich, graziös; seine Milchhaut war gerötet, seine hellen Augen wirkten ein wenig farbloser als bei Tisch. Er blieb vor dem Waschbecken stehen.
    »Erlauben Sie?« murmelte er, füllte ein Glas mit Wasser, holte Pillen aus der Tasche, warf sie hinein, schluckte. »Junger Mann«, sagte er und ging wieder auf das verschlissene Sofa mit dem verschossenen Bezug zurück. »Sie haben mir sofort gefallen, ich habe gleich gesehen, daß Sie der würdige Sohn ihres Vaters sind.« Er lächelte versonnen. »Und der war – weiß Gott – ein exzellenter Geschäftsmann.« Er seufzte leicht, um anzudeuten, wie teuer ihn dieses Lob zu stehen komme. »Ich sehe, daß Sie sich von Worten nicht bestechen lassen«, er griff in die Tasche, um sein Scheckbuch zu suchen, »also muß ich wohl mit Geld nachhelfen.«
    Martin schwieg.
    »Zweitausend?« fragte Panetzky.
    »Mehr.«
    »Zweitausendfünfhundert«, antwortete der Geschäftsmann, »letztes Wort …«
    »Nach meinen Informationen«, erwiderte Martin, »haben die Verwandten der Kahns in Philadelphia hunderttausend Dollar bezahlt.«
    »Das ist ja lächerlich …!«
    »Aber es stimmt mit meinen Unterlagen überein«, setzte Martin hinzu.
    »Werden Sie nicht albern!« fuhr ihn der Import-Export-Kaufmann an, dessen Gesicht den freundlichen Ausdruck verlor. »Unterlagen gibt es – bei einer solchen Sache – doch überhaupt nicht.«
    »Dabei halten Sie meinen Vater für einen guten Geschäftsmann?« fragte Martin. Er öffnete die Collegemappe und überreichte Panetzky die Fotokopien.
    »Also Erpressung?« fragte der Mann.
    »Erraten!«
    »Sie Anfänger!« versetzte Panetzky. »Ich lasse Sie aus diesem Land hinauswerfen, daß Sie …«
    »Versuchen Sie es.«
    »Ich werde Ihnen zeigen, wie man mit Gaunern umgeht.«
    »Wenn Sie sich an die Polizei wenden wollen«, erwiderte Martin, »was ich Ihnen in jedem Fall empfehlen möchte: dort steht das Telefon.«
    Panetzky zögerte; er faßte sich rasch wieder. Sein Verstand war so wendig wie sein Körper.
    »Das sind nur Kopien«, sagte er.
    »Die Originale befinden sich bei meinem Notar in München«, erklärte Martin, »zu meinem Schutz.«
    Panetzky blätterte die Unterlagen durch.
    »Ich erkläre, daß meine Unterschrift gefälscht ist.«
    »Für diesen

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