Die wilden Jahre
die Krankenstube.
»Hallo, Darling!« begrüßte er Susanne und setzte sich auf das Bett des Patienten. »Wie fühlst du dich, Felix?«
»Jeden Tag besser.«
»Fein«, er wandte sich an Susanne. »Nun muß ich ihn dir nehmen, honey, aber du wirst ihn nicht wiedererkennen, wenn ich ihn dir zurückbringe – auch wenn du dir schwer vorstellen kannst, daß man aus so einem Wrack wieder etwas …«
»Shut up!« rief Felix grimmig.
»Also bist du bereit, Christian soldier?« fragte Dr. Snyder.
»Schon lange.«
»Dann fangen wir morgen an«, erwiderte der Arzt. »Nehmt Abschied, Kinder, leider muß ich eure Liebeslaube für eine Weile schließen.« Er stand auf und wurde ernsthaft:
»Felix, du weißt, ich bin Internist …«
»Ja.«
»Aber du brauchst eigentlich einen Psychiater …«
»Ich mag überhaupt keine Medizinmänner«, entgegnete Felix, »aber wenn ich schon einen brauche, dann dich, Doc.«
Morgen schon? dachte Susanne. Sie blickte bekümmert drein, weil sie ahnte, welcher Quälerei sich Felix unterziehen müßte. Dr. Snyder kam ihren Fragen zuvor; er verließ den Raum und war auch später nicht mehr aufzufinden.
»Ist immer noch keine Antwort aus Paris da?« fragte Felix.
»Nein«, antwortete Susanne. Ihre Gedanken galten mehr der Sorge um Felix als der Mutter Martins, die der Captain über einen amerikanischen Verbindungsstab von Paris aus suchen ließ.
»Wenn die Leute Madame Rignier aufgespürt haben«, sagte Felix, »machen wir Ferien – und besuchen sie. Willst du?«
»Ja«, antwortete sie zerstreut.
»Wir müssen sie finden.«
Zuerst mußt du gesund werden, dachte Susanne und betrachtete Felix prüfend. »Meinst du nicht«, begann sie, »daß Doktor Snyder mit der Behandlung noch etwas …«
»Nein, es ist schon verdammt spät – und ich werde es überstehen, Susanne.« Seine Hand tastete nach ihrem Arm. »Ich muß es überstehen – für dich. Verstehst du?«
»Ja«, sagte Susanne leise.
»Für uns«, verbesserte sich Felix.
Er wurde in die Quarantäneabteilung gebracht, einen häßlichen Raum mit einem winzigen Fenster und einer wattierten Eisentür. Die Matratze lag auf dem Boden, den wie die Seitenwände Gummimatten bedeckten. Der Raum war nach Anweisungen Dr. Snyders, der vor der Ekelkur mehr Angst zu haben schien als der Patient, in einem Waschhaus installiert worden.
»Es ist nicht gerade ein Luxusappartment«, sagte der Arzt, »aber wir haben ja schließlich auch andere Dinge vor.«
Sie ließen sich auf der Matratze nieder.
»Du vertraust mir also?«
»Ja, Doc«, antwortete Felix.
»Vergiß es nicht«, erwiderte Dr. Snyder. »Ich habe meine eigene Methode«, fuhr er fort, »zunächst einmal die Tabletten – zerkauen und schlucken.«
Felix folgte.
»Dann muß ich dich noch fragen – was hast du immer getrunken?«
»Was durch die Gurgel lief«, antwortete Felix grimmig.
»Was am liebsten?«
»Whisky.«
»Scotch oder Bourbon?«
»Scotch.«
»Mit Eis oder Soda?«
»On the rocks.« – »Gut, Saufaus«, sagte der Arzt und stand auf. Er klopfte an die Tür. Niemand hörte es. Er rüttelte.
Sie wurde aufgeschlossen; zwei GIs erschienen; sie hatten Boxerfiguren und Kindergesichter.
»Deine Samariter«, stellte Dr. Snyder vor, »Bob und Mac.«
Die kräftigen, schweren Soldaten traten leise auf, als wollten sie einen Schläfer nicht wecken. Sie lächelten ein wenig verlegen, während ihnen der Arzt, für Felix unverständlich, seine Anweisungen gab.
»Du weißt, daß man Süchtigen das Gift nicht auf einmal entzieht«, wandte er sich wieder an Felix, »auch wenn du es nicht verdienst – ich lasse dir einen Abschiedsdrink.«
Die uniformierten Krankenpfleger brachten eine Flasche Whisky, Eis in einem Plastikbecher und stellten es auf den Boden.
»Aber denke daran, daß diese Ration drei Tage reichen muß.« Dr. Snyder legte Eisstücke in das Glas, goß Whisky nach und ließ die Würfel klappern. »Soll ich dir auch einen richten?«
»Danke«, erwiderte Felix.
»Übernimm dich nicht, Abstinenzler«, erwiderte der Arzt und ging.
Felix legte sich auf die Matratze, griff nach einem Buch. Der kahle Raum verdroß ihn, doch er war bereit, sich Dr. Snyder blind anzuvertrauen. Er las und vergaß die Flasche, legte sein Buch beiseite, griff zu einem anderen Roman. Die Helden der Handlung tranken pausenlos: windelweiche, aufgeschwemmte Burschen, dachte Felix belustigt. Mochten ihm die Tabletten Dr. Snyders auch helfen, er wollte es aus eigener Kraft schaffen;
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