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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sie persönlich bescheiden, fast arm.
    »Entschuldigen Sie, Aschenbrödel«, sagte Ritt, erhob sich, drehte sich noch einmal um, bedeutete Eva durch ein rasches, werbendes Lächeln, daß er gleich wiederkäme, und ging auf die Bankleute zu, die ihn sofort umringten und lebhaft auf ihn einsprachen.
    Eva merkte, daß sie von vielen Augen betrachtet wurde. Man kannte sie nicht und wollte wissen, wer sie sei. Jetzt sah sie auch einige Frauen, die ihr gut gefielen, selbst aus der Nähe.
    Seltsam, dachte sie, daß sie alle kein Alter haben; die Töchter wirken kaum jünger als die Mütter, aber vielleicht kommt das von den Pelzen, die sie tragen. Nerz macht alt – und auch gleich …
    Sie wich erster Feindseligkeit aus; ein paar Worte mit dem Hausherrn hatten genügt, um sie als seine Favoritin abzustempeln. Sie trat an das Fenster und ließ die nervöse Spannung hinter sich, abwartende, abtastende Gespräche.
    Ein paar Nachzügler trafen ein, brachten ihre Glückwünsche vor und gingen an das kalte Büffet. Im Tauziehen der Reputation hatte der Hausherr jetzt ein leichtes Übergewicht gewonnen, aber noch immer stand die Entscheidung aus, noch immer fehlten der Staatssekretär Dr. Dr. Schlemmer und seine Satelliten.
    Es waren Vorsitzer und Aufsichtsräte einiger Bankgruppen, die mit Ritts Unternehmen konkurrierten; sie wurden von Schlemmer geeint und geführt, der mit Ritts geschiedener Frau verheiratet war. Daß Bettina ihren ersten Mann so wenig mochte wie Ritt sie, wußte jeder; man verfolgte und genoß es.
    Bisher hatte es der Staatssekretär immer verstanden, sich von Ritt geschäftlich als einem Spekulanten und privat als einem Emporkömmling zu distanzieren: der Politiker forderte diese Haltung auch von seinen Anhängern, was die Zaungäste dieses schwelenden Duells als Schlemmer-Doktrin bewitzelten. Heute mußte, so meinten die Teilnehmer dieses Empfangs, das Kesseltreiben gegen den neuen Mann sich aus dem Halbdunkel wattierter Direktionszimmer wagen – oder ruhmlos zu Ende gehen.
    Unvermittelt brach das Gespräch ab, das wie kochendes Wasser im Raum gebrodelt hatte.
    »Canossa in der City«, rief ein Mann neben Eva halblaut; die Umstehenden lächelten mühsam.
    Die Gäste teilten sich zu einer langen hohlen Gasse, durch die der Staatssekretär und seine Freunde Spießruten liefen, auf Martin Ritt zu, der ihnen gelassen entgegensah und erst zuletzt ein paar Schritte auf sie zutrat. Dr. Schlemmer, ein hagerer großer Mann, der sich beim Gehen umständlich anschob und doch zielstrebig vorankam, gefolgt von Drumbach, dem Bankpräsidenten, und anderen Stammgäste aus Bettinas Salon, in dem das Netz geknüpft worden war, das man über Martin Ritt werfen wollte.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung, Herr Ritt«, sagte der Staatssekretär laut hörbar für alle, »ich überbringe Ihnen die Glückwünsche der Regierung – und …« Seine Lippen schlugen stumm aufeinander.
    »Danke«, antwortete Martin.
    »Bei dieser Gelegenheit«, fuhr der Staatssekretär fort, »glaube ich, Ihnen – privat – sagen zu müssen, daß wir einmal in Ruhe miteinander sprechen sollten. Ich glaube«, Schlemmers fistelnde Stimme wurde fester, »daß manches Mißverständnis der letzten Zeit … Auch meine Frau – Bettina muß ich wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes entschuldigen – würde sich freuen, wenn Sie künftig unseren Donnerstagszirkel besuchen würden. Wir laden zwar niemand ein, aber bei Ihnen möchten wir – ausnahmsweise – doch mit diesem Brauch …«
    Viele Festteilnehmer, die diese Worte hörten, glaubten, einen endgültigen Sieg des Emporkömmlings zu erleben. Die Eingeweihten unter den Gästen wußten, daß die Gegenspieler bloß dazu übergegangen waren, künftig Ritt-Methoden anzuwenden: zu bluffen, hinzuhalten, zu verwirren und dann zuzuschlagen.
    Während Martin mit kühler Höflichkeit dem Staatssekretär antwortete, suchte er Eva mit den Augen. Sie war im Gedränge verschwunden, in den Wogen dieses exklusiven Kreises. Mit einigen dieser Damen hatte Martin geschlafen, bei anderen würde er es vielleicht gelegentlich nachholen. Die Chippendalebetten der meisten aber, dachte er flüchtig, werde ich auch künftig meiden wie Leprastationen.
    Alles uniform: die Kleider, die Pelze, der Schmuck und die Schminke. Uniform die Männer, die Liebhaber, die Kinder, die Abtreibungen; uniform die Altersangst, die Liftnarben, die Klimakteriumsgier und die Noldes an der Wand. Uniform die Unterwäsche, das

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