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Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Titel: Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmid
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hatte, reiste sie auf ihrem schweren Motorrad durch alle möglichen fernen Länder. Nadjas letzte Postkarte stammte aus Marrakesch.
    Lilli zog sich die Ärmel über die Handgelenke, schloss die Augen und fuhr – halb wachend, halb träumend – zusammen mit Nadja auf dem Motorrad durch die Weltgeschichte, bis ihr Vater sie sanft weckte.
    Besorgt richtete Lilli sich auf.
    »Waren doch die Krabbenchips!« Lillis Vater legte den Arm um Lilli. »Sie wollen Luisa noch eine halbe Stunde zur Beobachtung hierbehalten, dann können wir heimfahren!«
    Lilli kuschelte sich an seine Schulter. »Wie war es denn eigentlich bei meiner Geburt?«
    »Es war ein richtig heißer Augusttag«, Stefan legte den Kopf zurück auf die Sessellehne, »Nadja und ich wollten Holundersaft machen.«
    »Von unserem Holunderbaum im Garten?«, fragte Lilli.
    Stefan nickte. »Der war damals noch viel kleiner und er hatte auch nicht viele Beeren, aber Nadja wollte sie unbedingt ernten. Obwohl sie sonst überhaupt nicht gern kochte oder so.« Müde klappten seine Augenlider zu, aber er redete weiter. »Nadja trug den Korb mit den schwarzen Dolden in die Küche, wo ich gerade den Entsafter vorbereitet hatte.« Er seufzte. »Direkt vor mir fiel ihr der Korb aus der Hand und sie ging in die Knie!« Kurz schwieg er, als müsste er die Erinnerungen erst richtig sortieren. »Der ganze Küchenboden war mit den schwarzen Dolden übersät und überall waren dunkelrote Saftflecken und Nadja rief: ›Ich glaub, die Fruchtblase ist geplatzt!‹«
    »Und was hast du gemacht?«, fragte Lilli.
    Ihr Vater schlug die Augen wieder auf. »Ich hab gedacht, ich werde ohnmächtig.« Er spielte mit Lillis Fingern. »Wenn die Fruchtblase platzt, muss das Kind zur Welt kommen – und zwar schnell. Wir sind also ins Krankenhaus und …« Kurz blickte er ins Leere, dann strahlte er in Lillis Gesicht. »Es hat dann noch ewig gedauert, bis du endlich da warst!« Er griff sanft in ihre Locken. »Du hattest winzige rote Löckchen …«
    »Rot?« Lilli schüttelte den Kopf. »Du meinst wohl Mahagonilöckchen!«
    Lillis Vater nannte Lilli manchmal sein Mahagonilöckchen, weil ihre Haare die Farbe von Mahagoniholz hatten.
    »Nein, mein Mahagonilöckchen, die ersten paar Monate hattest du richtig rote Locken!« Er lachte. »Nadja und ich haben immer Witze gemacht und gesagt, das käme vom Holundersaft!«
    Kurz schwiegen beide.
    »Als Nadja uns verlassen hat, da warst du ja noch ein Baby und ich hatte damals schreckliche Angst.« Stefans Stimme wurde immer leiser. »Vorm Vatersein und vor der Verantwortung und ob ich das mit dir hinkriege.« Er schluckte. »Und vor dem Alleinsein!«
    Lilli umarmte ihn. »Aber du hattest doch mich!«
    Stefan nickte stumm.
    »Da ist Luisa!« Durch die Glastür des Warteraums sah Lilli, wie Luisa mit ihrer Krankenhaustasche in der Hand den Gang entlangkam.
    »Fehlalarm!« Fast entschuldigend hob Luisa die Schultern. »Die Hebamme sagt, das Baby braucht noch mindestens drei Wochen!«
    Stefan nahm Luisa die Tasche ab und Luisa hakte sich bei ihm unter. Lilli schlüpfte schnell in ihre Schuhe und dann quietschten ihre Schritte wieder über den Korridor.
    Es hatte aufgehört zu regnen, aber aus den Bäumen tröpfelte es noch immer auf die parkenden Autos. Lilli sog die frische Nachtluft ein und wurde schlagartig so müde, dass sie beinahe im Stehen eingeschlafen wäre. Gähnend schnallte sie sich hinten auf der Rückbank an. Luisa stieg diesmal vorne ein, Lillis Vater startete den Motor, und Lilli gab es auf, gegen die Müdigkeit anzukämpfen.
    »Mein Bruder hat erzählt, dass Gelatino mit den Jungs in die Berge gefahren ist.« Luisa blickte Lilli über die Sitzlehne an.
    »Mhm.« Lillis Kinn sank auf ihre Brust.
    »Fahrt doch auch hin. Du und deine
Wilden Küken

    Plötzlich war Lilli wieder hellwach. Sie riss den Kopf hoch, während Luisa weiterredete. »Bobs Eltern können sich leider nicht freinehmen, aber vielleicht hat ja Enyas Mutter Zeit? Oder Verys?«
    Lillis Herz pochte in ihren Ohren. »Aber das Baby …«
    »Bis das kommt, seid ihr doch längst wieder da!« Luisa hob die Hand wie zum Schwur. »Und ich esse garantiert keine Krabbenchips mehr!«
    Unsicher suchte Lilli Stefans Augen im Rückspiegel. »Papa?«
    »Wenn ihr einen Erwachsenen findet, der euch begleitet.« Lillis Vater trat auf die Bremse und hielt vor einer roten Ampel. »Ich würde das ja gern machen, aber …«, er lachte Luisa an, »einer muss hier ja die Ernstfallübungen

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