Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)
Vadim die Tüte mit den leckeren Broten.
»Bob, ich bin hier drin!«, drang Giulias Stimme durch die einzige noch vorhandene Zimmertür.
Bob drückte die Klinke und die
Wilden Küken
schoben sich in ein winziges Badezimmer. Links befand sich das Waschbecken, rechts die Dusche, und in der Mitte hockte Giulia mit ihrem Notebook auf den Knien auf dem geschlossenen Klodeckel. Neben ihr stapelten sich die Fachbücher aus der Bibliothek.
»Was?« Giulia schnaubte genervt, noch bevor irgendjemand etwas gesagt hatte. »Das ist der einzige Raum, in dem ich an meiner Arbeit schreiben kann!« Sie lächelte fast ein bisschen irr. »Wenn die Jungs nur nicht andauernd pinkeln müssten!«
Bob kramte in der Hosentasche und gab Giulia ihr Handy.
»Danke.« Giulia drückte das Telefon wie einen kostbaren Schatz an sich. »Jetzt kann ich wenigstens anrufen, falls ich hier verschüttet werde!«
Wie um ihre Befürchtungen zu bestätigen, dröhnte just in diesem Moment der Bohrhammer wieder los. Die Kosmetika unterm Spiegel klirrten auf der gläsernen Ablage.
»Ich muss dann weiterschreiben!« Giulia beugte sich über ihr Notebook. »Tür zu!«
Die
Wilden Küken
schlossen die Tür, verabschiedeten sich gestikulierend von den drei Heimwerkern und verließen die Wohnung.
Unten auf dem Gehweg vor dem Mietshaus angekommen, wollten die Freundinnen gerade ihre Fahrräder aufschließen, da ertönte über ihnen eine Art Donnergrollen. Alle vier fuhren herum und blickten nach oben. Aus einem geöffneten Fenster im fünften Stock blähte sich eine Staubwolke ins Freie. Kurz darauf erscholl eine schrille Stimme. »Wartet auf mich!«
Die Staubwolke löste sich auf und Giulias Kopf erschien im Fensterrahmen. »Ich ziehe in die Gelateria um!«
Nur wenige Minuten später schob Giulia ihr Fahrrad aus der Tiefgarage. Auf dem Gepäckträger hatte sie ihre Bücher festgeklemmt und über ihrer Schulter hing ein Notebook-Rucksack.
»Giulia!« Diesmal war es Justin, der oben im fünften Stock im Fensterrahmen auftauchte. »Ich mach das alles doch nur für uns!«
»Ich weiß das und ich liebe dich …« Giulia blickte zu Justin hinauf und küsste ihn durch die Luft. »Aber ich halte das nicht eine Minute länger aus!« Sie schwang sich in den Sattel und radelte gemeinsam mit den
Wilden Küken
zur
Gelateria Cantarella
.
Dort angekommen, grüßte Giulia kurz angebunden die Nonna, die an Gelatinos Stelle hinter der Eistheke stand, dann verschwand sie sofort im Durchgang, der an der Küche und den Toiletten der Eisdiele vorbei ins Treppenhaus führte, und lief hinauf in die Wohnung.
Bob spendierte Lilli, Very und Enya ihre Lieblingseissorten und half dann ihrer Großmutter hinter der Theke.
Lilli hatte noch nicht mal die erste Pistazieneiskugel weggeschleckt, da kam Siegi aus dem Durchgang gerannt und beschwerte sich lauthals: »Meine Swester klaut mein Zimmer!«
Gleich hinter ihm tauchte Giulia wieder auf und steuerte direkt auf Bob zu.
»Du willst dich also wirklich hier einquartieren?«, fragte Bob. »Auch über Nacht?«
Giulia nickte verzweifelt und fing sofort an, mit Bob um deren Zimmer zu feilschen. »Du kannst doch die paar Tage bei Siegi schlafen.«
»Nie im Leben«, wiederholte Bob wie ein Mantra, »nie im Leben!« Sie bekam einen roten Kopf und keine Luft mehr.
»Und wo soll ich meine Arbeit schreiben?« Giulia bekam ebenfalls einen roten Kopf und keine Luft mehr. »Im Stadtpark vielleicht?«
Gleichzeitig betraten Bobs Eltern die Eisdiele. Bobs Vater Jens hatte eher Feierabend gemacht und kam mit seiner Frau vom Großeinkauf zurück. Mit Unterstützung der
Wilden Küken
schleppten sie eine Unmenge eingekaufter Waren aus dem Lieferwagen, der vor der Eisdiele parkte, in die Küche. Wie so oft half Bobs ganze Familie tatkräftig mit und alle redeten gleichzeitig.
Fast war Lilli froh, als sie eine halbe Stunde später allein auf ihrem Fahrrad saß. Mitten auf der Nepomukbrücke hielt sie an und blickte flussaufwärts. Sie rief sich eine Landkarte vor Augen und verfolgte in Gedanken den Flusslauf bis zu seiner Quelle in den Bergen.
Nach dem Abendessen machten es sich Lilli, Luisa und Stefan auf dem Sofa bequem und sahen sich im Fernsehen eine Dokumentation an. Auf dem Bildschirm bebte die Erde, Vulkane spien Feuer, Lawinen rauschten in die Tiefe und Tsunamis überrollten die Welt. Ein Orchester untermalte die Bilder mit dramatischer Musik, dazwischen gab eine tiefe Sprecherstimme Erklärungen. Immer wieder fielen Lilli die Augen zu,
Weitere Kostenlose Bücher