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Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Titel: Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Schmid
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standen noch in Giulias Zimmer und unterhielten sich mit ihr über den Liebesfilm.
    »Voll schmalzig!« Bob presste gespielt die Hände auf die Brust. »Als sie da im Schneegestöber stehen und er seinen Mantel über sie hält … trief, schmalz, schluchz …« Sie lachte.
    »Aber als sie dann zu ihm sagt, ihr sei nicht kalt, solange er bei ihr bleiben würde«, seufzte Very. »Voll romantisch!«
    Bob und Very hockten sich zu Giulia aufs Bett und redeten weiter. Enya blieb mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen. Lilli nahm sie rasch beiseite. »Ich treff mich mit Ole!«, flüsterte sie und legte den Finger auf die Lippen.
    Enya nickte und Lilli huschte aus dem Haus.

Lilli wischte sich den Schweiß von der Stirn. Um abzukürzen, hatte sie beschlossen, quer über das Geröllfeld zu wandern und dabei unterschätzt, wie anstrengend es war, so weit über den kippligen Untergrund zu laufen. Die Sonne brannte heiß auf Lillis Rücken und die Luft flirrte über dem Schotter. Die Schneegipfel jenseits des Hausbergs lagen hinter dunstigen Schleiern und waren nur zu erahnen. Erschöpft und immer wieder stolpernd näherte Lilli sich endlich der Schutzhütte, die von kleinen Schnitzereien übersät war. Unzählige Wanderer hatten über die Jahre ihre Namen, ein Datum oder Herzchen mit zwei Buchstaben in das schwarz verwitterte Holz gekerbt.
    »Ole?« Lilli lief die letzten Schritte. »Ole?«, wiederholte sie keuchend und drückte die Tür auf.
    Die Hütte war leer.
    »Hier oben!«, ertönte eine Stimme.
    Lilli wandte sich um. Nicht weit von ihr gabelte sich der Weg. Links führte er zum Hausberg, rechts verlor er sich im Wald.
    »Hi-ier!« Ole stand zwischen niedrigen Kiefern auf einem Steinbrocken und winkte mit beiden Armen.

    Der schmale Pfad, dem Lilli und Ole durch den immer dichter werdenden Wald folgten, stieg nur sanft bergan. Sooft Lilli auch fragte, wohin er sie führen würde, Ole machte ein Geheimnis daraus und verriet nur, dass er auf seiner einsamen Wanderung gestern eine Entdeckung gemacht hätte.
    Vor einer Wegbiegung stellte Ole sich Lilli in den Weg. »Mach die Augen zu!«
    Lilli schloss die Augen. Auch hier im Waldschatten war es drückend heiß. Mücken summten. Ole ergriff ihre Hand und zog sie weiter. »Jetzt!«
    Lilli öffnete die Augen. Auf dem Wasser spiegelten sich Bäume und Himmel. Nicht die kleinste Welle kräuselte sich auf der Oberfläche.
    »Den schenk ich dir!« Oles Augen schimmerten genauso tiefblau wie der kleine Bergsee, der vor Lillis Füßen lag.
    Sie ging in die Hocke und tauchte die Hand ins Wasser. »Der ist bestimmt richtig tief!« Lachend spritzte sie Ole nass.
    »Erik hat keine Ahnung, dass es den gibt!« Leichtfüßig balancierte Ole über einen ins Wasser reichenden Baumstamm und erklomm von da aus einen der Uferfelsen. »Vielleicht weiß nicht mal Vroni davon!«
    Lilli kletterte neben ihn. Vroni kannte hier jeden Winkel, ganz sicher auch diesen See. Außerdem führte ein Pfad direkt bis an sein Ufer. Aber das sagte Lilli nicht, als sie sich neben Ole setzte. »Vielleicht hat er noch nicht mal einen Namen!« Sie schlang ihre Arme um die Knie.
    »Der namenlose See!« Ole sagte es, als wäre es der Titel einer Geschichte. »Hunger?« Er holte ein Butterbrot aus seinem Rucksack und teilte es mit Lilli.
    »Ist das ein Bussard oder ein Habicht?« Lilli zeigte mit ihrer Brothälfte auf einen Raubvogel, der über sie hinwegflog.
    »Ich glaub, ein Falke«, sagte Ole kauend. »Obwohl die eigentlich erst mit der Dämmerung aktiv werden, Little und ich haben doch mal ein Referat gehalten über Turmfalken …« Mit jedem Wort verlangsamte sich seine Rede, als wäre Ole in Gedanken ganz woanders. »Die
Grottenolme
wollen einen neuen Boss wählen!« Er starrte auf das angebissene Brot. In seinem Mundwinkel glänzte etwas geschmolzene Butter.
    »Ich weiß!«, sagte Lilli. »Ich hab euch gestern Nacht gehört!«
    Olmboss und Oberküken aßen ihre Brote auf, sprangen vom Felsen und wanderten am Ufer entlang. In strammer Gangart hätte man den kleinen See in weniger als einer halben Stunde umrunden können. Aber der Untergrund war mal steinig, mal sumpfig oder von Ranken überwuchert. Und immer gab es etwas zu entdecken. Ein Stück Rinde, das Ole wie ein Schiff zu Wasser ließ, Steine, die sich schnippen ließen oder ein unsichtbares Ungeheuer, das sich seit Jahrtausenden in den unendlichen Tiefen des namenlosen Sees versteckt hielt.
    »Oh, nein, da ist es!« Übertrieben aufgeregt zeigte Ole

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