Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
ungewöhnlich hart. »Wie konnte das passieren? Rinartin war ein Mensch, aber dennoch ein mächtiger Magier. Anders wäre er nicht Schulleiter geworden.«
»Ich weiß nicht. Carath hat ihn mit sich in eine Art Kapsel eingeschlossen und als Mashdin sie aufgebrochen hat, war Rinartin bereits schwer verletzt.« Sie schluckte bei der Erinnerung an den blutüberströmten Schulleiter. »Mashdin ist ausgerastet. Er hätte Carath umgebracht, wenn Seran ihn nicht aufgehalten hätte.«
»Was passiert nun mit Carath?«
Serrashil warf ihrer Freundin einen besorgen Blick zu. Sie war nur ein halbes Jahr älter als Kie, aber die Studentin Höherer Wissenschaften klang so verstört wie ein kleines Mädchen, das seine Mutter verloren hatte. Die Ereignisse in den letzten Tagen schienen Kie mehr mitzunehmen, als sie sich anmerken lassen wollte.
»Ich nehme an, er wird vor die Großmeister geführt, die gemeinsam über ihn richten werden.« Serrashils Sorgen wurden größer. Carath hatte ein schweres Verbrechen begangen, aber er hatte es in dem Auftrag eines anderen getan. Sie konnte nur hoffen, dass die Großmeister es erkannten und den wahren Schuldigen fanden. Doch jetzt, wo Rinartin tot war … Wer würde noch auf Caraths Seite stehen? Diarell hasste den Winterelfen und auch die anderen Großmeister waren von seiner Aufnahme alles andere begeistert gewesen, mit Ausnahme von Seran. Doch seine Stimme würde nicht reichen. Serrashil musste unbedingt mit Randef sprechen und ihm von dem Geschehenen berichten. Er würde bestimmt verstehen und die anderen Großmeister dazu bringen, nach den Erpressern zu suchen. Andernfalls würde Carath mit Sicherheit zum Tode verurteilt werden. Er hatte das Staatsoberhaupt von Jadestadt getötet, einen Mann, der in monarchistischen Ländern als König bezeichnet wurde.
»Sie werden ihn töten, nicht?« Kie spielte mit dem Zipfel von Delrens Decke und behielt ihren Blick so fest auf ihre Hände gerichtet, als dürfe sie dabei nichts falsch machen. Langsam sah sie auf. »Er hat Yua umgebracht …« Verklärt sahen ihre Augen ins Leere.
»Ich weiß es nicht … Vielleicht«, erwiderte Serrashil wahrheitsgemäß. »Sie müssen erkennen, dass er nicht der wahre Drahtzieher hinter alldem ist.«
Die Tür ging auf und eine Frau mit der violetten Robe der Heilkundestudenten betrat den Raum. Sie trug ein Klemmbrett unter dem Arm und rückte sich ihre Brille zurecht, während sie ihnen zunickte.
»Die Sperrstunde rückt näher. Ich bitte euch, den Krankenflügel zu verlassen und euch in eure Schlafräume zurückzuziehen. Ihr seid sicher müde.« Sie warf ihnen einen mitleidigen Blick zu und trat beiseite, um den Weg zur Tür freizumachen.
Serrashil drückte Delren einen sanften Kuss auf die Stirn, strich ihm eine Haarsträhne hinters Ohr und riss sich mit einem letzten Blick auf seinen ruhenden Körper los. Am Liebsten wäre sie die Nacht über bei ihm geblieben, aber sie durfte es nicht und bleischwere Müdigkeit lähmte ihren Körper. Die Auszehrungen der Reise und der Gefangenschaft machten sich langsam bemerkbar.
Kie sah mit ihren tiefen Augenringen und dem bleichen Gesicht ganz so aus, wie sich Serrashil fühlte. Bestimmt gab sie kein besseres Erscheinungsbild ab. Mit einem kläglichen Lächeln trat sie an der Heilerin vorbei und verließ gemeinsam mit ihrer Freundin den Krankenflügel.
Den Weg zu den Wohntürmen über schwiegen sie sich an. Was hätten sie auch sagen sollen?
Der Trubel auf dem Hof der Hohen Schule war Stille gewichen. Keine Menschenseele war mehr zu sehen und nur der zertretene Schnee und die leergeräumten Marktstände erinnerten daran, dass sich hier ein Fest zugetragen hatte. Normalerweise wäre es drei Tage und Nächte lang gegangen, aber es war wohl niemandem mehr nach feiern zumute.
Kie verabschiedete sich bei ihrem Wohnturm mit einer Umarmung und Serrashil legte den Rest des Weges alleine zurück.
Das Magische Feuer erhellte ihr Zimmer, kaum dass sie es betreten hatte. Die Flamme warf Licht auf einen weißen Umschlag, der auf dem Boden hinter der Tür lag. Er war mit grünem Siegelwachs versiegelt. Serrashil bückte sich nach ihm, betrachtete ihn einige Augenblicke lang und brach das Siegel. Das blütenweiße Briefpapier war mit roter Tinte in einer geschwungenen Handschrift sorgfältig beschrieben worden. Serrashils Augen huschten über die Zeilen. Es war eine Vorladung zum Richterspruch über Carath, der in zwei Tagen stattfinden würde.
Serrashil legte den Brief
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