Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
Makrazas ersetzt worden. Der Gott des Todes hatte Einzug in die Hohe Schule gehalten und würde sie noch einige Zeit in seinem Griff behalten, wie es aussah.
Serrashil setzte sich in Bewegung. Einige andere Studenten waren unterwegs, doch sie flüsterten höchstens miteinander und warfen Serrashil neugierige Blicke zu, ehe sie sich schnell abwandten, wenn sie sich ertappt glaubten.
Die bedrückende Stille, die über dem Schulgelände lag, wurde erst in der Eingangshalle gebrochen. Hier schienen sich sämtliche Studenten versammelt zu haben, zumindest war die Halle brechend voll. Die jungen Leute standen in Gruppen beieinander und unterhielten sich angeregt. Serrashil zwängte sich durch sie hindurch und machte sich auf den Weg in den Krankenflügel, um Delren einen Besuch abzustatten. Ihr Liebster lag noch immer regungslos im Bett, genau wie sie ihn zurückgelassen hatte. Um einen klaren Kopf zu bekommen, setzte sie sich an seine Seite und erzählte ihm in allen Einzelheiten, was vorgefallen war.
Als sie geendet hatte, schwieg Serrashil lange. Einzig Delrens Atemzüge brachen die Stille auf angenehme Weise. Irgendwann erhob sie sich, küsste ihn lange und zärtlich und wandte sich von ihm ab. Als Nächstes stand Randef auf ihrer Liste. Sie musste ihm unbedingt von den Entführern berichten, um Caraths Schuld zu mildern.
Serrashil fand ihren Lehrmeister weder in seiner Wohnung noch in der Trainingshalle. Auch die Studenten, die sie nach ihm fragte, wussten nicht, wo sich der Großmeister aufhielt. Als Serrashil schon aufgeben und zurück zu ihrem Wohnturm gehen wollte, sah sie ihn mit Großmeister Nedrin an der Seite vom Rondarium kommen.
»Großmeister Randef!« Sie änderte die Richtung und lief zu den beiden Männern. »Verzeiht mir die Störung, doch ich muss dringend mit Euch sprechen. Habt Ihr Zeit für mich?«
»Serrashil. Du kommst wie gerufen. Ich möchte mich ebenfalls mit dir unterhalten.« Ihr Lehrmeister wandte sich an Nedrin. »Ihr entschuldigt uns, Großmeister Nedrin?«
»Sicherlich.« Nedrin warf Serrashil einen abschätzigen Blick zu, ehe er mit einem knappen Nicken davonschritt.
»Weshalb wollt Ihr mit mir sprechen?«, fragte Serrashil der Höflichkeit halber zuerst nach dem Anliegen des Großmeisters. Die Vermutung lag nahe, dass er sie sowieso über Carath ausfragen wollte.
Randef schüttelte den Kopf. »Nicht hier. Ich lade dich zu einer Tasse Tee in meinen Gemächern ein, wenn du nichts einzuwenden hast. Die Mauern dort sind vor ungebetenen Mithörern geschützt.«
Schweigend folgte sie ihm um das Hauptgebäude herum in den Wohndistrikt der Großmeister. Eine kleine Mauer schützte den Bereich vor unwillkommenen Besuchern. Randef hatte einen Schlüssel für das eiserne Tor, durch das man einen Blick auf einen Innenhof mit einer kleinen Gartenanlage samt Springbrunnen erhaschen konnte. Ihr Lehrmeister führte Serrashil durch den Mauertunnel in den Garten, wo sie sich neugierig umsah. Studenten konnten nur an dem inneren Eingang, den man durch das Hauptgebäude erreichte, bei einem Wächter anfragen, ob ein Großmeister anwesend war. Normalerweise war es Schülern untersagt, diesen Bereich zu betreten.
Das Zentrum des Gartens wurde von dem Springbrunnen eingenommen, dessen Wasser auf wundersame Weise eingefroren war. Erstaunt betrachtete Serrashil die vereisten Tropfen, die bewegungslos in der Luft hingen. Auch Blumen aus Eis ragten aus dem Schnee, eisige Blätter und verschiedene Früchte hingen an den Bäumen. Es sah gigantisch aus.
Vom Springbrunnen führten zehn Wege zu den einzelnen Wohnungen der Großmeister beziehungsweise zu den beiden Ausgängen. Auf halber Höhe des Gebäudes befand sich je ein Balkon für einen Großmeister. Als Lehrer an der Hohen Schule lebte es sich nicht schlecht.
»Folg mir«, zog Randef Serrashils Aufmerksamkeit wieder auf sich, nachdem er ihr gestattet hatte, sich einige Augenblicke lang umzusehen. Er nahm einen der Wege durch den Garten, der zu einer schlichten Haustür führte. Sie besaß kein Schloss, sondern ließ sich ohne weiteres öffnen.
»Wenn wir Großmeister uns nicht mehr gegenseitig trauen können, wer kann es dann?«, erklärte Randef auf Serrashils verwunderten Blick hin und deutete ihr, einzutreten. Sie gelangte in einen Eingangsbereich, von dem mehrere Türen und ein Gang abzweigten. An beiden Seiten befanden sich geschwungene Treppen, die zu einer Galerie im ersten Stock führten. Mehrere Pflanzen standen in großen Töpfen herum
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