Die Winterprinzessin
bis hin zu wahren Kunstwerken aus Wachs.«
Eine Ahnung stieg in mir auf, aber noch fehlte mir das Verständnis für die Zusammenhänge.
»Sie lässt sich gut für ihre Kunst bezahlen, davon lebt sie, und sie hat zahlreiche Kunden hier im Schloss.«
»Die Gräfin!«
»Allerdings«, bestätigte er, »auch die Gräfin Hochberg kauft ihre Kerzen bei der Alten. Am Morgen des Tages, an dem ich eigentlich abreisen wollte, kam Runhild ins Schloss, um der Gräfin ein neues Dutzend Kerzen zu bringen und ihren Lohn dafür in Empfang zu nehmen. Vielleicht halten die Hochberg und ihr Lakai Klüber unsere alte Freundin für taub oder dumm, vielleicht auch für beides, auf jeden Fall wurde Runhild, während sie im Vorzimmer wartete, Zeugin einer Unterredung zwischen den beiden. Es ging wohl darum, dass Klüber der Gräfin Bericht erstattete über das, was Stanhope und dir widerfahren war.«
»Wie konnte er davon wissen?«
»Offenbar hatte die Gräfin ihn beauftragt, jemanden hinter euch her zu schicken. Wir wussten ja schon, dass ihr nichts zu entgehen scheint, was hier im Schloss geschieht, und so muss sie auch von eurer Abreise und eurem vermeintlichen Ziel erfahren haben. Der Verfolger, den sie auf euch ansetzte, hat die Spuren des Überfalls auf eure Kutsche entdeckt. Er ist euch bis zu dieser Ruine gefolgt. Er muss dort auf der Lauer gelegen haben, als plötzlich die Odiyan angriffen. Daraufhin ritt er zurück zum Schloss und erstattete Klüber seine Meldung.«
Ich nickte nachdenklich. Jakobs Worte klangen einleuchtend.
Er fuhr fort: »Runhild belauschte also, was im Audienzzimmer der Gräfin besprochen wurde. Daraufhin gab sie ihre Kerzen ab, als sei nichts geschehen, und erkundigte sich eilig nach dem Weg zu meinem Zimmer.«
»Sie erzählte dir brühwarm, was sie mit angehört hatte?«, fragte ich zweifelnd. »Das scheint mir nach unserem Besuch bei ihr gar nicht ihre Art zu sein.«
»Und doch war es so. Ich lief sogleich zu Dalberg, gab alles getreulich wieder, und er beschloss, einen Großteil seiner übrig gebliebenen Soldaten in Marsch zu setzen. Schließlich ging es nicht nur um dich, sondern auch um seinen werten Freund Stanhope.«
Ich lächelte grimmig. »Ich bezweifle, dass der gute Lord dem Minister noch immer derart teuer ist. Aber sag, wurde beim Kampf in der Ruine einer der Tätowierten getötet oder gefangen genommen?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Dann sind sie noch immer zu dritt. Einer war bei den Odiyan, aber er muss den Soldaten entkommen sein.«
»Immerhin haben sie ihre Krieger verloren. Dalberg hat alle Odiyan, die den Sturm auf die Abtei überlebten, noch am gleichen Tag vor ein Erschießungskommando gestellt. Ich glaube nicht, dass sich draußen in den Wäldern noch mehr von ihnen verstecken.«
»Die drei Priester sind gefährlich genug.«
Jakob ließ sich auf Jades Bettkante nieder. »Zweifellos.«
Ich betrachtete einen Moment lang die tief schlafende Prinzessin, wandte mich aber schnell von ihr ab, als ich bemerkte, dass neuerlich zarte Gefühle in mir emporstiegen. Sie hätten alles nur noch schwieriger gemacht, meine Beziehung zu Jakob, zur Prinzessin, zwischen jedem von uns.
Ich sah ihn an, bis sich erneut unsere Blicke kreuzten. »Du hättest mir früher die Wahrheit sagen sollen.«
Er nickte ernst. »Ja, vielleicht.«
Es hatte keinen Sinn, jetzt noch darüber zu streiten. Er hatte seine Entscheidung getroffen, und sie ließ sich nicht rückgängig machen. Unsere Liebe zu Jade stand selbst jetzt, da die Prinzessin schlief, wie eine Mauer zwischen uns. Es würde Mühe kosten, sie zu überwinden, und ich war nicht bereit, die nötige Kraft ganz allein aufzubringen.
»Was hältst du von Jades Geschichte?«, fragte ich und setzte mich auf den Stuhl vor dem Bett.
»Sie klingt ehrlich.«
»Ehrlich, vielleicht. Aber wahr? Das ist ein Unterschied.«
»Das weiß ich.«
»Du machst es dir einfach.«
Er schüttelte den Kopf. »Letzten Endes ist es gleichgültig, ob diese Amrita existiert.«
»Amrita-Kumbha.«
»Von mir aus. Wenn alle um uns herum so handeln, als ob es dieses Ding tatsächlich gibt, und wir beiden im Netz dieses Handelns gefangen sind, dann müssen auch wir uns entsprechend verhalten.«
»Du meinst, wenn alle verrückt werden, sollen wir dasselbe tun? Eine fragwürdige Logik, wenn du mich fragst.«
»Immerhin eine Logik. Die beste, an die wir uns im Augenblick halten können.«
»Was sollen wir tun? Abreisen?«
Er deutete auf Jade. »Und sie?«
»Wir können
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